"Man kann merken, dass viele Investoren angesichts der unerwarteten Ereignisse in der Ukraine aufgewühlt sind", beschreibt Christoph Bruns, Manager des Aktienfonds Loys Global, seine Gespräche mit Kunden. Von daher sei es kaum verwunderlich, dass Anleger vermehrt Fragen zur künftigen Entwicklung an den Kapitalmärkten stellen. Auffällig sei allerdings, dass es weniger um den Aktienmarkt insgesamt als vielmehr um einzelne, besonders von dem Konflikt betroffene Aktien gehe. Bemerkenswert findet der Mitgründer der in Oldenburg beheimateten Fondsboutique zudem, dass viele seiner Kunden die radikale Kehrtwende der deutschen Politik ausdrücklich gutheißen.


Mit welchen Erwartungen für die Kapitalmärkte waren Sie in das Jahr 2022 gestartet und wie hatten Sie Ihr Portfolio anfangs aufgestellt?

Christoph Bruns: Ich hatte zu Beginn des Jahres ein mulmiges Gefühl angesichts vieler teurer Aktien vor allem mit Internetbezug. Zudem bin ich seit vielen Monaten im Gegensatz zur EZB illusionslos bezüglich der Inflation, weshalb ich eine Zinswende für notwendig und wahrscheinlich gehalten habe.

Seit vergangener Woche herrscht Krieg in der Ukraine. Wie ist der Fonds jetzt aufgestellt, und wie hat er sich seit Kriegsbeginn entwickelt?

Bruns: Den Krieg in der Ukraine hatte zu Jahresbeginn niemand erwartet und nun ist er bittere Realität geworden. Der Loys Global hatte im Prinzip einen guten Start in das neue Jahr, zumal er bei überbeliebten US-Technologiewerten substanziell untergewichtet war. Die russische Aggression hat dann aber bei unserer Gazprom-und Lukoil-Position den Vorsprung aufgezehrt.

Ist es zu Mittelabflüssen gekommen?

Bruns: Bislang nicht und ich habe den Eindruck, dass die Anleger im Ganzen einigermaßen besonnen mit der Situation umgehen. Dabei spielt gewiss auch eine Rolle, dass es bekanntlich keine attraktive Alternative zu Aktienanlagen gibt. Hier sollte man auch bedenken, dass Russland selbst ja nur einen sehr kleinen Kapitalmarkt hat und deshalb am Aktienmarkt kaum Aufmerksamkeit auf sich zieht.

So makaber es in diesem Zusammenhang auch klingen mag: Wo sehen Sie längerfristig Investmentchancen?

Bruns: Sehr auffällig ist, dass sowohl der US-Dollar und auch amerikanische Aktien nachgerade Rückenwind durch die Ereignisse bekommen haben. Tatsächlich betreffen die Auswirkungen des Krieges in erster Linie Europa. Und es hat leider schon Tradition, dass Amerika besser durch Krisen kommt als die alte Welt. Das war bei der großen Finanzkrise der Fall und ebenso während der Pandemie. Vielleicht sollte Bundeskanzler Scholz auch auf diesem Gebiet einmal vorurteilsfrei überlegen, woran das liegen mag.

Welche Folgen wird der Krieg für die Diskussion und die Umsetzung der EU-Taxonomie haben?

Bruns: Die EU und vor allem Deutschland und sogar die Schweiz haben zuletzt politisch überrascht. Niemand hatte dieser Troika eine wahrhaftige Wende bei gängigen Positionen zum Beispiel in Bezug auf Verteidigung, Energie und Neutralität zugetraut. Einmal mehr zeigt sich, dass Krisen Gegebenes in Frage stellen und neue Antworten möglich werden. Das gilt auch für die EU-Taxonomie. Man konnte ja zuletzt den Eindruck haben, dass es sich bei den EU-Taxonomie Diskussionen überwiegend um intellektuelle Selbstbeschäftigung ohne weiteren Realitätsbezug handelte.

Wird die neue Lage eine als beschlossen geglaubte Politik der Zentralbanken verändern? Anders gefragt: Wird insbesondere die Fed ihren Weg wie "geplant" fortsetzen können oder werden die Zinskarten neu gemischt?

Bruns: Nein, die Zinswende ist überfällig und wird in den USA auch vollzogen werden. Die Auswirkungen des Krieges beeinträchtigen die US-Wirtschaft nur peripher. Anders die EZB, die sich ja ohnehin sträubt, ihr Mandat der Geldwertstabilität ernsthaft wahrzunehmen. Manches spricht für eine fortgesetzt zögerliche Gangart der Europäischen Zentralbank. Ungeachtet der galoppierenden Inflation erhöht der Krieg die Finanzierungsnotwendigkeiten der Staaten erheblich. Allein Deutschland hat angekündigt, zusätzliche 100 Milliarden Euro in die Landesverteidigung zu stecken. Zudem steht eine neue Flüchtlingswelle ins Haus. Die EZB wird daher im Zweifel zusätzliches Geld drucken. Für die konjunkturelle Entwicklung dürfte der Optimismus folglich abnehmen. Eine Rezession ist damit nicht mehr auszuschließen. (hh)