Die nächste Sitzung des Rats der Europäischen Zentralbank (EZB) am kommenden Donnerstag (12.09.) steht an, und die Spekulationen um eine mögliche Erweiterung des geldpolitischen Instrumentariums erhalten neuen Schwung. Neben einer wahrscheinlichen Zinssenkung und erneuten Anleihekäufen rechnen einige Beobachter sogar damit, dass die EZB über kurz oder lange auch Aktien kauft, schreibt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, in einem Gastkommentar der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ).

Die EZB wäre nicht die erste Zentralbank, die sich an der Börse engagiert. Die japanische Zentralbank greift bereits seit dem Jahr 2010 auf dem heimischen Aktienmarkt zu. Auch die Schweizerische Notenbank erwirbt seit Jahren systematisch Anteilscheine ausländischer Unternehmen – und erntet dafür durchaus Lob von Kapitalmarktkennern. Informationen der Süddeutschen Zeitung (SZ) zufolge hat Noch-EZB-Chef Mario Draghi sämtliche Denkverbote aufgehoben und seine Fachabteilungen gezielt angewiesen, unkonventionelle Handlungsoptionen für die Zukunft auszuloten. Dabei gehe es auch um die Frage, ob und wie die EZB im Ernstfall an den Börsen Aktien kaufen könnte.

Sollte sich der EZB-Rat tatsächlich dazu durchringen, hätte das zwei entscheidende Vorteile, schreibt Krämer. Zum einen könnte die EZB bei einer schweren Rezession oder einem Börsencrash Unternehmen auf diese Weise zu Investitionen ermutigen und so die Konjunktur wieder in Gang bringen. Und zum anderen würde die EZB mit dem Beginn von Aktienkäufen zeigen, dass ihr die Munition nie ausgehe, schreibt der Commerzbank-Chefvolkswirt. "Wenn sie den Kauf von Anleihen mit einem monatlichen Volumen von 40 Milliarden Euro wiederaufnähme, besäße die EZB in zwei Jahren in einigen Ländern bereits die Hälfte aller Staatsanleihen. Sie könnte dann eine rechtliche Grenze erreicht haben," gibt Krämer zu bedenken. Durch die Einbeziehung von Aktien indes würde sie die Menge der erwerbbaren Wertpapiere deutlich ausweiten. 

EZB könnte ETFs kaufen
Krämer geht davon aus, dass die EZB – falls sie überhaupt einen Entschluss in diese Richtung fasst – dem Modell der japanischen Zentralbank folgen würde. Diese erwirbt keine direkten Anteile an Unternehmen, sondern kauft ETFs, also passive Papiere auf einen breitgefassten Börsenindex.. So umgeht sie das Risiko, Stimmrechet im Unternehmen und damit Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsstrategie der Konzerne zu erhalten

Persönlich hält Krämer nichts von diesem Modell. "Auch wenn die EZB Aktien nur indirekt kaufen würde, erschaudert der ordnungspolitisch wache Beobachter bei diesem Gedanken zu Recht", erklärt der Commerbank-Chefvolkswirt – gibt jedoch zu bedenken: "Seit Ausbruch der Finanzkrise vor mehr als zehn Jahren hat die EZB vieles getan, was vorher undenkbar war." (fp)