"Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen" – davon war schon Helmut Schmidt überzeugt. Das Bonmot des ehemaligen Bundeskanzlers lässt sich auch auf die Unternehmen im deutschen Leitindex übertragen, zumindest, wenn es nach Deka-Fondsmanager Ingo Speich geht. "Wachstumsfirmen, die nur von einer Vision leben, haben im Dax nichts verloren", erklärt er im Gespräch mit dem "Handelsblatt". Konkret meint der Fondsprofi damit Unternehmen wie Wirecard, das vor seiner Insolvenz zwei Jahre lang Mitglied in der ersten deutschen Börsenliga war. "Ein Skandal wie bei Wirecard konnte nur passieren, weil die Kontrollsysteme innerhalb des Unternehmens mangelhaft waren", so Speich. "Die Deutsche Börse sollte bei der Aufnahme in den Dax deshalb künftig Governance-Themen berücksichtigen."
 
Wirecards Nachfolger im Dax: Ausgerechnet Delivery Hero, ein Lieferdienst, der seit seiner Gründung noch nie schwarze Zahlen geschrieben hat. Für Speich ist das ein Unding: "Ein Unternehmen sollte über einen Zeitraum beispielsweise von drei Jahren zumindest einmal einen Gewinn erzielt haben." Nach dieser Logik wäre zwar auch die Deutsche Bank inzwischen aus dem Dax geflogen – schließlich macht das Geldhaus seit fünf Jahren Verluste. Der Deka-Experte hätte damit kein Problem: "Schwarze Zahlen sind letztlich ein Ausdruck für die Qualität eines Geschäftsmodells. In den Dax sollten nur starke Unternehmen aufgenommen werden – auch, um die Marke im internationalen Kontext zu schützen", sagt er im Interview mit dem "Handelsblatt".
 
Neuer Anstrich für alte Indizes
Nicht nur Speich meint, dass die wichtigsten deutschen Marktbarometer – außer dem Dax gehören dazu vor allem die Nebenwerteindizes MDax, TecDax und SDax – eine Reform nötig haben. Ende September kommt der Arbeitskreis Aktienindizes der Deutschen Börse zusammen, um über die Zukunft von Dax und Co. zu beraten. "Aktuell repräsentiert der Index sehr stark die alte Deutschland AG", kritisiert Speich. Mit einer inhaltlich breiteren Aufstellung hätte die Deutsche Börse zudem die Chance, den deutschen Leitindex stabiler zu machen. "Seit der Gründung des Dax vor mehr als drei Jahrzehnten hat sich der Kapitalmarkt schließlich auch weiterentwickelt", so der Fondsprofi. (fp)