Wer auf die Zinswende wartet, ist Enttäuschungen gewohnt. Anfang des Jahres verkündete die US-Notenbank Federal Reserve überraschend eine einstweilige Pause bei ihrer restriktiven Geldpolitik, vergangene Woche schließlich verschob die Europäische Zentralbank die Erhöhung der Leitzinsen bis weit ins nächste Jahr. "Der Glaube an die Inflation schwindet und mit ihm auch die Hoffnung auf eine wie auch immer geartete Normalisierung der Geldpolitik", sagt Stefan Keitel, Vorsitzender der Deka-Geschäftsführung.

Diese Entwicklung muss nicht unbedingt schlecht sein: "Die Ausschläge bei der Konjunktur werden durch die zurückgehende Volatilität der Inflationsraten kleiner", sagt Keitel. "Insofern sind die makroökonomischen Bedingungen für eine Verlängerung des gegenwärtigen Mega-Aufschwungs gar nicht schlecht, solange die Schocks aus der Geo- oder Handelspolitik begrenzt bleiben."

Inflationserwartung als dominante Steuerungsgrößte
Die Notenbanken dagegen beobachten die Ent-Ankerung der Inflationserwartungen mit Sorge. Die Währungshüter würden daher über eine Anpassung ihrer geldpolitischen Strategien nachdenken, sagt Keitel. Er könnte sich vorstellen, dass die Inflationserwartungen künftig die dominante Steuerungsgröße in der Geldpolitik der Notenbanken werden könnten. Die Währungshüter müssten dann nicht mehr direkt gegensteuern, wenn die Inflation über dem Ziel liegt, solange die Erwartungen darunterbleiben. "Das Ergebnis für die Geldpolitik lautet: lower for longer – was für die Vermögenspreise nicht schlecht sein muss", sagt Keitel. (fp)