"Wir haben die Talsohle bei ESG-Fonds durchschritten", erklärte Markus Müller, ESG-Chefanlagestratege der Deutschen Bank, in einem Interview mit dem Finanznachrichtendienst "Bloomberg". Er sieht regulatorische Veränderungen als Hauptgrund, die Investitionen in ein breiteres Spektrum von Sektoren ermöglichen, einschließlich fossiler Brennstoffe, die nun in sogenannten Transformationsstrategien berücksichtigt werden.

In den USA wurde ESG politisch stark kritisiert, vor allem von der Republikanischen Partei, die es als "woke" und antiamerikanisch bezeichnete. Viele an der Wall Street vermieden es deshalb, überhaupt über ESG zu sprechen. Der Blackrock-Chef Larry Fink erklärte letztes Jahr, der Begriff sei zu stark politisiert worden. Diese Feindseligkeit führte Anfang des Jahres zu einem schlechten Abschneiden von ESG-Produkten, was sich im zweiten Quartal fortsetzte. Gleichzeitig fielen die Investitionen in grüne Aktien unterdurchschnittlich aus – der "S&P Global Clean Energy Index" verlor seit Anfang 2023 etwa 30 Prozent.

Ein Großteil der ESG-Kritik konzentriert sich auf die Annahme, dass fossile Brennstoffe in ESG-Strategien ausgeschlossen seien. Doch die Transformation, also die Reduzierung von CO2-Emissionen großer Unternehmen, wird zunehmend als wichtiges ESG-Ziel gesehen. Investoren können weiterhin in Öl, Gas und Kohle investieren, wenn sie zeigen, dass sie Unternehmen bei der Dekarbonisierung unterstützen.

Weiterhin Potenzial für ESG-Investitionen
Allerdings bleibt das Interesse an ESG weltweit uneinheitlich. Eine HSBC-Umfrage zeigt, dass Anleger aktuell eher von Ängsten vor Krieg und Rezession getrieben werden. Trotz dieser Herausforderungen sieht Müller weiterhin Potenzial für ESG-Investitionen und betont die finanziellen Vorteile, die sich durch das Filtern von Portfolios nach ESG-Kriterien ergeben.

In den USA sind die republikanischen Bundesstaaten die größten Nutznießer des "Inflation Reduction Act", eines US-Klimagesetzes, das enorme Investitionen in saubere Energie fördert. Müller hält es für unwahrscheinlich, dass diese Gesetze vollständig aufgehoben werden, selbst wenn Donald Trump wieder Präsident wird.

Weltweit stiegen die Investitionen in saubere Energien 2022 um 17 Prozent auf 1,8 Billionen Dollar. Müller betont, dass ESG-Investitionen weiterhin an Bedeutung gewinnen und die Deutsche Bank plant, ihr ESG-Vermögen bis 2025 fast zu verdoppeln. (mb/Bloomberg)