Man könnte meinen, dass ein Fonds, der in die Vorreiter der Digitalwirtschaft investiert, zumindest zeitweise auch Anteilscheine von Wirecard im Portfolio gehabt hätte. Baki Irmak, Mit-Initiator des "Digital Leaders Fund", hat sich von dem mittlerweile insolventen Skandal-Unternehmen allerdings durchweg ferngehalten. "Als wir Wirecard im September 2018, zum Aufstieg in den Dax, analysiert haben, kam mir schräg vor, was die alles machen", erzählt er im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS). "Das war so eine Art Fummelladen, ein bisschen was von allem."

Irmaks Zurückhaltung bei dem Zahlungsdienstleister ist umso bemerkenswerter, als dass einer seiner Ex-Kollegen kräftig zugriff – und hohe Verluste produzierte. Irmak arbeitet viele Jahre lang in leitender Funktion für die Deutsche Bank und deren Fondstochter. DWS-Fondsmanager Tim Albrecht war stark in Wirecard investiert, als der einstige Shooting Star verglühte. "Für Fondsmanager, die Deutschlandfonds managen, ist der Dax der Maßstab", erklärt Irmak. "So war es eine große Verführung, Wirecard-Anteile zu kaufen: Wenige Aktien sind im Jahr 2019 besser gelaufen. Da wird es für den einzelnen Fondsmanager teuer, nicht dabei zu sein."

Unvorstellbare kriminelle Energie
Der Ex-DWS-Mann übt trotz allen Verständnisses Kritik an jenen, die auch nach den ersten alarmierenden Berichten an Wirecard festhielten. Es sei ein herber Fehler gewesen, dass die Profis die Zweifel an der Seriosität des Konzerns nicht ernst genommen haben, sagt er. "Man musste wahrlich kein Bilanzforensiker sein, um zu sehen, dass da was nicht stimmt." Ihn habe es gewundert, wie Wirecard auf eine höhere Gewinnmarge kommen wollte als Paypal. "Das schafft man in diesem Geschäft mit rasiermesserscharfen Margen entweder über riesige Zahlen, also über Skaleneffekte, oder über die Beziehung zu Endkunden, wo die Rendite höher ist." Beides sei bei Wirecard aber nicht der Fall gewesen.

Komplett durchschaut hatte auch Irmak den Skandalkonzern nicht, räumt er ein. "Ganz ehrlich, dass diese Bande Konten mit Milliarden erfindet, dazu reichte meine Fantasie nicht", sagt er im FAS-Interview. "Meine Vermutung war eher: Wirecard ist mit Porno und Glücksspiel groß geworden, die verschleiern die Gewinne aus dem halbseidenen beziehungsweise kriminellen Milieu, weil sie mit der seriösen Zahlungsabwicklung nie so viel Geld verdienen, wie vollmundig behauptet wurde. Daher haben wir vor dem Kauf der Aktie gewarnt." Die Reaktionen seien unerwartet heftig ausgefallen. "In der Payment-Industrie, den direkten Wettbewerbern zu Wirecard, fanden es die Leute gut, weil es sie in ihrer Meinung bestätigt hat. Auf der anderen Seite gab es Wut und Empörung in der Wirecard-Fan-Gemeinde, die überaus groß war.", schildert Irmak. Jede Kritik an dem Konzern hätten diese Menschen als Angriff auf die eigene Person und das von ihnen eingesetzte Geld verstanden. (fp/ps)