Der Gesundheitssektor in den USA befindet sich seit längerem in einer eingentlich komfortablen Situation: Hohe Gesundheitskosten und ungelöste Reformvorhaben der neuen US-Regierung haben zur Folge, dass die Erträge – zu großen Teilen staatsfinanziert – auf einem stabiliem Niveau bleiben. "Davon profitieren die Unternehmen im US-Healthcare-Sektor", sagt Maximilian-Benedikt Köhn, Erstanalyst für den Sektor Healthcare bei DJE Kapital.

Die Gesundheitskosten in den USA seien laut seiner Recherche in den letzten 50 Jahren signifikant angestiegen. "Während die Ausgaben 1960 bei nur fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) lagen, sind es inzwischen über 17,8 Prozent", erklärt Köhn. Damit haben die USA weltweit mit Abstand die höchsten Gesundheitsausgaben sowohl absolut (umgerechnet deutlich mehr als 9.000 Euro pro Person) als auch relativ zum BIP. Im Vergleich dazu liegt der europäische Durchschnitt bei circa zehn Prozent des BIP. Deutschland liegt mit gut 4.000 Euro pro Person bei elf Prozent des BIP. 

Die Gründe für diese hohen Kosten sind vielfältig: Zu nennen sind vor allem der deutliche Anstieg der sogenannten Wohlstandskrankheiten wie beispielsweise Diabetes, Herzinfarkt, Krebs oder Schlaganfall. "Eine Möglichkeit, hohe Ausgaben im Gesundheitssektor zu reduzieren, sind Generika, die nach Ablauf des Patentschutzes des Ursprungsmedikaments auf den Markt gebracht werden", weiß Köhn. Aufgrund ihrer niedrigeren Entwicklungskosten sind sie in der Regel deutlich günstiger und kommen weitaus schneller auf den Markt. "In den USA sind Generika trotz der geringeren Produktionskosten allerdings aufgrund von Rabattverträgen oftmals nur etwa 20 Prozent günstiger als Originalpräparate. Hierdurch hat das Originalprodukt auch ohne Patentschutz weiterhin eine extrem gute Marktposition. Ein gravierender Kostensenkungseffekt bleibt aus", ergänzt Köhn.

Reformstillstand im US-Gesundheitssektor 
Hinzu komme, dass eines der zentralen Vorhaben der neuen US-Administration, die Abschaffung von Obamacare, noch nicht umgesetzt werden konnte. Das Repräsentantenhaus stimmte zwar bereits für den neuen Gesetzesentwurf, allerdings muss auch noch der Senat zustimmen.

"Das bestehende Krankenversicherungssystem unterliegt einem systemischen Fehle", so Köhn. Jeder US-Bürger werde unter Obamacare dazu verpflichtet, sich zu versichern oder zahlt eine entsprechende Strafgebühr (ca. ein bis zwei Prozent seines Brutto-Jahreseinkommens). "Im Resultat versicherten sich besonders ältere Menschen mit medizinischer Vorgeschichte. Viele jüngere US-Bürger bevorzugten das moderate Bußgeld", führt Köhn aus.

Die hohen finanziellen Lücken würden zum Teil mit Hilfe von staatlichen Subventionen geschlossen. Trumps Idee: Ältere und vorerkrankte Versicherte sollen künftig einen höheren Beitrag bezahlen und gleichzeitig sollen Bedüftige (wie Arbeitslose) weniger finanzielle Unterstützung durch den Staat bekommen. "Ob das Vorhaben der Trump-Regierung gelingt, ist durchaus fraglich, da die Republikaner im Senat mindestens 60 Stimmen benötigen, um das neue Gesetz zu verabschieden. Allerdings sind von den 100 Senatoren nur 52 Republikaner. Somit besteht erst einmal der Status quo – Obamacare bleibt", erklärt Köhn.

Umsatzsteuernachlässe könnten Sektor stützen
Die Steuerpläne der US-Regierung könnten sich laut Köhn positiv auf den Gesundheitssektor auswirken: So hält die Branche über 165 Milliarden US-Dollar in Geldbeständen im Ausland und könnte von einer Änderung der Repatriierungssteuer deutlich profitieren. "Diese zurückgeführten Gelder könnten in Aktienrückkaufprogramme, Dividendenzahlungen, Schuldenreduzierungen oder auch Akquisitionen investiert werden", mutmaßt Köhn.

Ebenfalls positiv zu sehen wäre eine Senkung der Unternehmenssteuer, ist Köhn gewiss: "Firmen, die ihre Produkte in den USA herstellen, dürften künftig verstärkt von solchen Steuersenkungen profitieren."

Handverlesene Auswahl
Stark diversifizierte US-Healthcare-Unternehmen, sowohl mit Steuersitz als auch Produktion in den USA und hohen Offshore-Cashbeständen, seien daher weiterhin kaufenswert. "Healthcare zählt daher derzeit zu den Sektoren, die wir positiv einschätzen. Der Sektor gilt als defensiv und ist historisch günstig bewertet. US-Healthcare-Aktien notieren tiefer – nationale Regulierungsrisiken eingepreist – als europäische oder asiatische Healthcare-Werte", präzisiert Köhn.

Innovative Pharma- und Biotechunternehmen sollten zudem von den aktuellen Diskussionen über zu hohe Medikamentenpreise verschont bleiben. Reine Generikaunternehmen könnten hingegen erhöhten Preisdruck verspüren. (kb)