Wahrscheinlich kommt kein Artikel über Jan Ehrhardt ohne einen Hinweis auf seinen Vater aus. Kein Wunder, zählt Jens Ehrhardt mit seinem Unternehmen DJE Kapital doch zu den erfolgreichsten unabhängigen Vermögensverwaltern Deutschlands. Hinter dem "alten" Ehrhardt verstecken muss sich der Sohn allerdings nicht: Seit 2003, als er von Credit Suisse aus New York kommend nach Pullach ins väterliche Unternehmen wechselte, verwaltet er nun den DJE Dividende & Substanz, den laut Morningstar besten global investierenden Dividendenfonds Europas auf Sicht von zehn Jahren. Seit 2010 sitzt Ehrhardt auch im DJE-Vorstand. Mit FONDS professionell ONLINE spricht er über die jüngste DAX-Rally, die weiteren Aussichten für Aktien und die hohe Bewertung von US-Dividendentiteln.

Herr Ehrhardt, der DAX hat die 9.000 Punkte geknackt und markiert ein Rekordhoch nach dem anderen. Die Rally läuft inzwischen seit mehr als vier Jahren – quasi ohne Ermüdungserscheinungen. Raten Sie noch zum Einstieg? Oder sollten Anleger, die noch nicht investiert sind, lieber eine Korrektur abwarten?

Jan Ehrhardt: Ich rechne nicht mit einem großen Rückschlag. Der DAX steht nur leicht über den Marken, die er schon in den Jahren 2000 und 2007 erreicht hatte. Seit der Jahrtausendwende ist die Entwicklung unter dem Strich also alles andere als berauschend gewesen. Die Länge der Hausse ist nicht entscheidend, sondern vielmehr die Frage, ob es eine Überhitzung gibt. Und die kann ich nicht erkennen. Dazu kommt, dass der DAX ein Performance-Index ist, bei dem die Dividenden berücksichtigt werden. Dem DAX-Kursindex dagegen fehlen noch mehr als 30 Prozent bis zum Rekord aus dem Jahr 2000. In den USA notieren schon die meisten Kursindizes auf Rekordhoch. Allein das zeigt: Der DAX hat noch viel Potenzial.


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Wann wird es für den Aktienmarkt denn kritisch?

Ehrhardt: Gefahr droht erst, wenn die Zinsen wieder steigen, aber davon sind wir noch ein gutes Stück entfernt.

DJE Kapital arbeitet nach dem FMM-Prinzip, Sie beobachten also fundamentale, monetäre und markttechnische Faktoren. Welche sprechen derzeit für eine Fortsetzung der Rally?

Ehrhardt: Eigentlich alle. Fundamental ist zu sagen, dass die Unternehmensgewinne leicht steigen sollten, die Konjunktur ist recht robust, und Aktien sind noch moderat bewertet. Im Vergleich zu Anleihen sind sie nach wie vor sogar sehr günstig. Monetär droht kein Gegenwind – die Notenbanken halten die Geldschleusen weit offen. Und markttechnisch spricht der fehlende Optimismus in der Breite für weiteres Kurspotenzial. Ein Beispiel: In unserer Vermögensverwaltung merken wir zwar, dass viele Neukunden, die in den vergangenen Jahren auf Immobilien gesetzt haben, inzwischen auch wieder in Aktien investieren. Von einer Euphorie sind wir aber weit entfernt. Das ist ein gutes Zeichen.

Sie sprachen die Gewinnentwicklung schon an. Die Margen der Unternehmen, insbesondere in den USA und Deutschland, sind so hoch wie nie, was weitere Gewinnsteigerungen schwierig macht. Dazu kommt, dass der Staat als Nachfrager wegfällt, weil er sparen muss. Woher sollen weiter steigende Unternehmensgewinne denn kommen?

Ehrhardt: Ich gebe Ihnen Recht, in Zeiten des Schuldenabbaus können die Gewinne nicht mehr so rasant steigen wie früher. Auch das Potenzial durch eine weitere Margenausweitung ist begrenzt. Ich sehe auf der anderen Seite aber auch keinen Grund für sinkende Margen. Hohe Inflationsraten bei Lohnkosten oder Energie sind kurzfristig noch nicht in Sicht. Das momentane konjunkturelle Umfeld spricht für moderate Umsatzanstiege, entsprechend sollten auch die Gewinne leicht zulegen können. Selbst ohne Ausweitung der Kurs-Gewinn-Verhältnisse hätte die Börse also noch Potenzial.

Von Euphorie ist in der Tat nichts zu spüren, insbesondere nicht bei Privatanlegern. Trotzdem wirken viele Marktteilnehmer einigermaßen unbekümmert. Schließlich sind die Probleme, die uns seit Jahren beschäftigt, allesamt nicht gelöst, sondern nur aufgeschoben – etwa die Staatsschuldenkrise oder der US-Haushaltsstreit.

Ehrhardt: Das stimmt, beide Krisenherde muss man auf jeden Fall im Auge behalten. Allerdings ist spätestens seit der Rede von EZB-Chef Mario Draghi vom letzten Juli klar, dass die Notenbanken das Konjunkturschiff auf Kurs halten werden. Nicht vergessen werden darf außerdem, dass ein Problem tatsächlich angegangen wurde: Vor nicht allzu langer Zeit herrschte in Europa noch die Angst, dass mehrere Banken in Konkurs gehen könnten. Diese Furcht ist deutlich kleiner geworden, das Bankensystem ist heute viel stabiler als noch vor zwei Jahren.

Sie setzen in Ihrem Fonds DJE-Dividende & Substanz auf ausschüttungsstarke Qualitätsaktien. Diese Titel waren in den vergangenen Jahren extrem en vogue, etwa unter institutionellen US-Investoren, die auf der Suche nach einer Alternative zu niedrig verzinsten Anleihen waren. Sind diese Substanzaktien inzwischen nicht viel zu teuer?

Ehrhardt: In den Vereinigten Staaten trifft das zumindest zum Teil tatsächlich zu. Im Frühjahr waren US-Dividendentitel gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis genauso bewertet wie der breite Markt. Das ist eine sehr ungewöhnliche Konstellation, schließlich finden sich unter den klassischen Dividendenzahlern vor allem Versicherer, Energiekonzerne oder Telekomunternehmen, die wenig Wachstum aufweisen und daher normalerweise mit einem Abschlag von 24 Prozent handeln. In Europa dagegen sind Dividendenaktien keineswegs zu teuer, ihr Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt mit einem Abschlag von 27 Prozent klar unter dem des breiten Marktes.

Können Sie das in Zahlen fassen?

Ehrhardt: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis des MSCI Europe liegt derzeit bei rund 15. Das Viertel der Aktien mit den höchsten Dividenden kommt nur auf ein KGV von gut zwölf. Außerdem bieten die ausschüttungsstärksten 20 Prozent der Titel im europäischen Stoxx 600 eine Dividendenrendite, die vier Prozentpunkte über der der übrigen Indexmitglieder liegt. Seit dem Jahr 2000 lag dieser Aufschlag im Schnitt nur bei 3,8 Prozent – auch das zeigt, das europäische Dividendenwerte noch nicht zu teuer sind. Zum Vergleich: In den USA liegt die Dividende der ausschüttungsstärksten Unternehmen derzeit nur 2,8 Prozentpunkte über dem Wert der restlichen S&P-500-Konzerne.

Die lange Rally hat allerdings dafür gesorgt, dass die Dividendenrendite in der Breite deutlich gesunken ist. Haben Sie keine Probleme, attraktive Titel zu finden?

Ehrhardt: Interessanterweise nicht. Seitdem ich den Fonds vor elf Jahren übernommen habe, lag die Dividendenrendite der Titel im Portfolio immer bei rund vier Prozent. Das ist heute nicht anders. Die Sektoren verschieben sich, aber irgendwo ergeben sich immer Chancen – inzwischen habe ich zum Beispiel auch einige Tech-Werte im Portfolio, bei denen früher meist keine Dividende zu erwarten war. Außerdem kann ich ja global investieren. In den USA liegt die Dividendenrendite im Schnitt nur noch bei zwei Prozent, in Europa dagegen immer noch bei 3,7 Prozent. Auch Teile von Asien sind für Dividendeninvestoren interessant: Nach der langen Baisse in China zum Beispiel ist die Rendite dort auf über drei Prozent gestiegen.

Dividendenstrategien gelten einerseits als spießig, haben andererseits aber auch etwas von einem Contrarian-Ansatz: Nach einem Kurssturz sieht die Dividendenrendite wieder attraktiv aus – Beispiel China. Welches Element überwiegt?

Ehrhardt: Es ist tatsächlich eine Mischung aus beidem. Zum einen investiert man in etablierte Geschäftsmodelle, bei denen nicht so viel schiefgehen kann. Zum anderen baut man Positionen ab, die stark gestiegen sind, und stockt Titel nach einer Kurskorrektur eher auf – das ist ein klar antizyklisches Element. Vielleicht macht auch dieses Nebeneinander den großen Reiz der Strategie aus. (bm)


Eine ausführliche Analyse zu Dividendenstrategien lesen Sie in der nächsten Printausgabe von FONDS professionell, die Ende November erscheint.