Börsianer sind dieser Tage beängstigend euphorisch, stellt David Wehner, Senior Portfoliomanager bei Do Investment, in einem Marktkommentar fest. Die Kapitalisierung des US-Aktienmarkts erreicht mit 190 Prozent des US-amerikanischen Bruttoinlandsproduktes einen historischen Rekordwert - obwohl einige Beobachter dieser auch als "Buffett-Indikator" bekannten Maßzahl jegliche Aussagekraft aberkennen. Die Put/Call-Ratio hat den Tiefststand aus dem Jahr 2000 (während der Hochphase der Dotcom-Blase) erreicht und spiegelt die aggressive Spekulation von Investoren auf steigende Aktienkurse wieder, führt Wehner des Weiteren aus.

Besorgniserregend sei insbesondere die Vervielfachung von Aktienkursen bei unprofitablen Technologie-Unternehmen, die vielleicht die Welt verändern könnten, und der beinahe schon "religiös anmutende Kult um Tesla und Bitcoin".

Blase ist nicht gleich Blase
Laut Wehner gleicht aber keine Blase an den Kapitalmärkten der anderen: Mit Blick auf das Kurs/Gewinn-Verhältnis beispielsweise seien die breiten Aktienmarktindizes noch weit von blasenartigen Entwicklungen entfernt. Die überproportionalen Kurs-Entwicklungen bei den großen Tech-Unternehmen wie Apple, Google, Amazon und Microsoft seien beeindruckend. Allerdings weisen diese Unternehmen seit Jahren stark steigende Gewinne aus – und seien weit entfernt von den blasenartigen Bewertungen Anfang der 2000er Jahre. Zugegebenermaßen habe die Covid-19 Pandemie zu einem Sondereffekt bei den genannten Unternehmen geführt, der sich wahrscheinlich nicht noch einmal in dieser Form wiederholen lässt, hält Wehner fest. "Trotzdem liest und hört man immer wieder von der Sorge vor einer Blase an den Märkten – und sie ist zum Teil berechtigt", erklärt Wehner. Die Märkte haben sich seit Ende der Finanzkrise im Gleichlauf nach oben entwickelt. Seit die Zentralbanken das Ruder in die Hand genommen haben, gebe es scheinbar kaum Risiken, keine Verlierer – sondern nur Gewinner in diversen Abstufungen. 

Um einzelne Titel wie Tesla habe sich ein regelrechter Kult entwickelt. Wehner: "Tesla ist mittlerweile 1,6 Mio.US-Dollar je verkauftes Auto pro Jahr wert. General Motors gerade einmal 10.000 US-Dollar. Solange die Lockdown-Maßnahmen die Weltwirtschaft lähmen und die Zentralbanken die Märkte mit Geld fluten, wird diese Entwicklung weitergehen. Wie heißt es so schön: Solange die Musik spielt, muss man tanzen."

Neuer Rhythmus mit Zyklikern
"Um bei dieser Metapher zu bleiben: Auch wir wissen nicht, wie lange die Musik noch spielt. Allerdings haben wir diese Party im zweiten Halbjahr 2020 verlassen – und sind nun auf der After-Party mit den Verlierern der jüngst vergangenen Jahre: den Industrie-, Chemie-, und Automobiltiteln", schreibt Wehner weiter.

Sein Haus präferiert derzeit zyklische und defensive Value-Titel. Technologie-Titel spielen momentan eine untergeordnete Rolle. "Wir sind der Auffassung, dass wir nicht direkt morgen in einer Welt leben werden, die ausschließlich durch digitale Produkte, Elektromobilität und erneuerbare Energie geprägt sein wird. Darüber hinaus gehen von wir von leicht steigenden Zinsen und einer positiven Performance bei Gold im Verlauf des Jahres 2021 aus", erklärt Wehner abschließend. (aa)