Das goldene Zeitalter der Globalisierung fußt auf falschen Annahmen, sagt Stefan Kreuzkamp, Chief Investment Officer bei der Deutschen Asset Management (DWS). Der erste Irrtum: Länder befinden sich, ähnlich wie Unternehmen, in einem globalen Wettbewerb: Einige gewinnen, andere verlieren. Dazu gebe es keine Alternative, so der gängige Konsens. Das ist jedoch so nicht richtig, sagt Kreuzkamp. "Beim Handel zwischen zwei Menschen gewinnen in der Regel alle beide", so der Anlagestratege: "Wenn einer einen Apfel hat, aber lieber eine Birne hätte, und der andere eine Birne hat, aber lieber einen Apfel hätte, können beide von einem Handel profitieren. Dieselbe Logik gilt auch für Länder."

Irrtum Nummer Zwei: In den Vereinigten Staaten ist der Export allein schon wegen der schieren Größe des Binnenmarktes eher ein Nebenschauplatz. Die Hauptrolle spielt der technologische Wandel. "Anders als beim ersten Irrtum war dies in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts tatsächlich weitgehend der Fall", sagt Kreuzkamp. So fielen zum Beispiel ab etwa 1970 die Löhne für niedrig qualifizierte Arbeiter in den Vereinigten Staaten immer weiter zurück. Der Exportsektor hatte damit kaum etwas zu tun.

Das änderte sich allerdings um etwa 1990. "Seitdem verliefen Arbeitsmarktanpassungen keineswegs reibungslos", so der DWS-Chefstratege. Der Handel mit China hat offenbar zu großen Unterschieden in der regionalen Wirtschaftsleistung geführt. "Das hatte zahlreiche Folgen, nicht zuletzt für die Wählerpräferenzen und das Wahlverhalten in den betroffenen Regionen."

Irrtum 3: Politik verteilt Gewinne gerecht
Der dritte Irrtum hatte laut Kreuzkamp wohl die gravierendsten Auswirkungen. Er besagt, dass politische Prozesse in demokratischen Gesellschaften sicherstellen, dass die Gewinne auch schnell gerecht verteilt werden. "Die Ergebnisse bei den letzten Wahlen und die jüngst entstandenen Handelsstreitigkeiten lassen sich durchaus als Revolte der Verlierer der Globalisierung gegen die Gewinner interpretieren", sagt Kreuzkamp. Für ihn ist dies ein verspätetes Zeichen für beginnende politische Prozesse, die jedoch nicht wie gewünscht oder erwartet verlaufen. (fp)