Die Europäische Zentralbank dürfte auch im Juni 2023 ihre Leitzinsen um weitere 25 Basispunkte anheben. Damit läge der Einlagensatz dann bei 3,50 Prozent, was sich aktuell auch in den Markterwartungen widerspiegelt. Eine marktbewegende Frage sei allerdings, ob die EZB darüber hinaus weitere Zinsschritte ankündigen wird, schreibt Ulrike Kastens, Volkswirtin Europa bei der DWS, in einer aktuellen Einschätzung.

Zweitrundeneffekte drohen
Auch wenn die Inflationsrate im Mai 2023 doch stärker als erwartet zurückgegangen ist, ist es für eine Entwarnung in der Inflationsentwicklung nach DWS-Meinung noch viel zu früh. Gerade der unterliegende Preistrend sei nach wie vor besorgniserregend. Zwar ist die Kerninflationsrate im Mai nur noch um 5,3 Prozent gestiegen, nach 5,6 Prozent im April.

"Wir bleiben jedoch skeptisch, ob sich dieser Trend so schnell weiter fortsetzt, denn die Löhne steigen weiter an. Allein im ersten Quartal 2023 kletterten die Tariflöhne um 4,3 Prozent gegenüber Vorjahr. Hinzu kommt, dass Unternehmen aufgrund der guten Nachfrage, auch nach Dienstleistungen, über erhebliche Preissetzungsspielräume verfügen", merkt Kastens an.

Höhere Prognose
Diese Überlegungen dürften sich nach ihrer Einschätzung auch in den Projektionen der EZB niederschlagen und zu einer Anhebung der Prognose zur Kerninflationsrate führen. "Angesichts der hohen Unsicherheit, wie schnell die restriktivere Geldpolitik auf Wachstum und Inflation wirken wird, rechnen wir mit einer unveränderten Kommunikation: Die EZB bleibt datenabhängig mit dem Hinweis, dass weitere Zinsschritte folgen könnten. Wir rechnen unverändert bis zum Herbst mit Leitzinsen von 4,0 Prozent", erklärt Kastens. (aa)