Manchmal überholt die Realität selbst die kühnsten Prognosen. Als Ed Yardeni im August nach dem Markteinbruch mit FONDS professionell sprach, hatte er gerade seine Vorhersage für den wichtigsten US-Aktienmarktindex S&P 500 auf 5.800 Punkte bis Ende dieses Jahres angehoben. Das vorgegebene Kursziel war zu dem Zeitpunkt noch eine verwegene Prophezeiung, inzwischen ist es zum Greifen nah. Und auch für  das kommende Jahr ist Yardeni zuversichtlich: Der Index wird seiner Meinung nach auf 6.500 steigen und bis Ende des Jahrzehnts die 8.000er-Marke knacken.

Warum der Stratege optimistisch für US-Aktien ist
Ed Yardeni hat in seiner Karriere als Chefstratege führender Banken und Vermögensverwalter zahlreiche Börsenzyklen und Crashs erlebt. Dann gründete er seine Beratungsfirma Yardeni Research. Im Interview mit FONDS professionell erklärt Yardeni, dass sich seine Zuversicht vor allem auf den langfristigen Ertragsaussichten der Firmen gründet. "Der dynamische Gewinnanstieg dürfte sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen", so Yardeni. 

Ohnehin ist er schon seit einigen Jahren optimistisch, auch weil er nie an die Rezession glaubte. In der Vergangenheit unterscheidet der Stratege zwei wichtige Auslöser für Konjunkturkrisen. In den meisten Fällen hätten Zinserhöhungen zu einer Kreditkrise und dann in die Rezession geführt. "Aber die Kreditkrise ist bislang ausgeblieben, selbst die Turbulenzen im US-Bankensektor Anfang vergangenen Jahres wurden rasch überwunden", so Yardeni. Als zweiten Auslöser nennt er Ölpreisschocks, aber trotz der Eskalation im Nahen Osten seien die Rohölpreise bisher stabil geblieben. Er ist überzeugt, dass sich das sehr dynamische Produktivitätswachstum fortsetzen wird.

Die Bedeutung der US-Wahlen Anfang November sollten Anleger seiner Meinung nach nicht überbewerten: "Wir hatten einen Bullenmarkt während Donald Trumps erster Amtszeit, wir hatten einen Bullenmarkt während Barack Obamas zwei Amtsperioden, und auch mit Präsident Joe Biden boomte die Börse", sagt der New Yorker. Präsidenten würden sehr gerne darauf verweisen, wie viele Jobs sie geschaffen haben. Tatsache sei aber, dass die Wirtschaft Jobs schafft, und oft genug nicht wegen, sondern trotz der Wirtschaftspolitik. Yardeni: "Washington ist zwar wichtig, aber wir sollten das nicht überschätzen. Die Wirtschaft schafft es, trotz der Einmischungen aus Washington zu wachsen. Und es sind wirklich Einmischungen, weil es keine konsistente Wirtschaftspolitik gibt: Wir fallen von einem Extrem ins andere."

Wo Yardeni zum Skeptiker wird
Ohnehin hält Yardeni nicht viel von ausgeprägtem Pessimismus: "Der Aktienmarkt steigt grundsätzlich langfristig, und wer immer nur skeptisch ist, wird keinen dauerhaften Erfolg haben." Etwas skeptisch ist er allerdings, wenn es um den deutschen Aktienmarkt geht: Deutschland kämpfe gleich mit mehreren Herausforderungen. "Die produzierende Industrie hat echte Probleme, vor allem auch wegen der Konkurrenz mit China, und auch der Übergang zur Klimaneutralität belastet Deutschlands traditionelle Industrie stark." Sein Fazit: "Sorry Deutschland, aber ich setze weiter auf die USA." (jh)


Ausgewählte Aussagen aus dem Gespräch mit Ed Yardeni finden Sie in der Bilderstrecke oben – einfach durchklicken! Das vollständige Interview lesen Sie in FONDS professionell 3/2024 ab Seite 112 oder nach Anmeldung hier im E-Magazin.