Regelmäßig einmal pro Quartal greift Investmentveteran Edouard Carmignac zur Feder, um seine Gedanken zu wirtschaftlichen, politischen und sozialen Herausforderungen zu formulieren. "Der verhaltene Optimismus, von dem ich Ihnen im Laufe des Jahres 2023 und zu Beginn dieses Jahres berichtet habe, wurde vom Aktienmarkt bei Weitem übertroffen", beginnt der Mitgründer der französischen Investmentgesellschaft Carmignac Gestion seinen Kommentar zum ersten Vierteljahr 2024. Nach einem Anstieg von fast zehn Prozent in den drei letzten Monaten 2023 hätten die globalen Aktienmärkte zu Beginn dieses Jahres einen ebenso hohen Anstieg verzeichnet.

Daher sei es angebracht, das Potenzial der Märkte insgesamt in Frage zu stellen. Während die Widerstandsfähigkeit der weltweiten Wirtschaftstätigkeit in Verbindung mit stabilen Realzinsen weiterhin für eine gute Entwicklung riskanter Anlagen sorgen dürfte, gelte es einzuschätzen, ob in die aktuellen Bewertungsniveaus ein Nachwirken der wichtigsten Unsicherheitsfaktoren eingepreist sei.

Hohe Verschuldung weltweit ist die Hauptsorge
"Die Nachhaltigkeit der hohen globalen Verschuldung bleibt eine Hauptsorge", schreibt Carmignac. "Während der Höhepunkt des Konjunkturzyklus erreicht ist, belaufen sich die öffentlichen Defizite der USA und Frankreichs auf 6,4 beziehungsweise 5,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, während sich die kumulierte Staatsverschuldung auf über 100 Prozent der jährlichen Wohlstandsschöpfung beläuft." In einer Zeit, in der die Schmerzschwelle unserer westlichen Bevölkerungen sehr niedrig liege, sei es daher von entscheidender Bedeutung, dass die Realzinsen, sprich die Zinssätze oberhalb der Inflation, so gering wie möglich liegen.

"Es ist daher nicht überraschend, dass sowohl Jerome Powell als auch Christine Lagarde uns signalisieren, dass eine Lockerung der Geldpolitik bevorsteht, obwohl der Rückgang der Inflation auf beiden Seiten des Atlantiks weit davon entfernt ist, ihre Ziele zu erreichen", so Carmignac. Der anhaltende Inflationsdruck, der auf die weiterhin angespannten Arbeitsmärkte und den Preisanstieg bei einigen Rohstoffen zurückzuführen sei, mache die Aussicht auf eine Zinssenkung jedoch problematisch. Entweder würden die Zentralbanken die Zinssenkung verschieben, was das Wachstum schwächen würde, oder sie würden einen unsicheren Rückgang der Inflation durch vorzeitige Zinssenkungen antizipieren und damit ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen.

Widerstandsfähigkeit der Weltwirtschaft wird auf die Probe gestellt
"Unserer Ansicht nach sprechen sowohl die Anfälligkeit des europäischen Wachstums als auch die bevorstehenden Wahlen in den USA für die zweite Option", blickt Carmignac nach vorn. Die Widerstandsfähigkeit der Weltwirtschaft werde seiner Ansicht nach in nächster Zeit auf die Probe gestellt. "Die Kaufkraft der amerikanischen und europäischen Verbraucher wird durch den erneuten Anstieg der Rohstoffpreise und die allmähliche Erschöpfung der im Rahmen von Covid aufgebauten Sparstrümpfe weiter geschwächt werden", so Carmignac weiter.

Gleichzeitig sei nicht zu erwarten, dass die geopolitischen Risiken abnehmen, sondern sich eher verfestigen. Der beginnende Frühling lasse befürchten, dass die Feindseligkeiten an der Front in der Ukraine wieder aufflammen. Netanjahu setze seine Offensive in Gaza fort. Und der Iran nähre weiterhin zahlreiche Destabilisierungsherde im Nahen Osten. "Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass eine baldige Beruhigung dieser Spannungen zwar illusorisch ist, dass wir aber aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeiten der verschiedenen Parteien davon ausgehen können, dass uns ein größerer Konflikt erspart bleibt", so Carmignac.

Aktien aufgestockt – Anleihen reduziert
Und die Marktaussichten? "Wenn die Zinsen nicht sinken, könnte die großzügige Bewertung der Aktienmärkte durch ein schwächeres Wachstum in Frage gestellt werden", schreibt der Investmentstratege. Und wenn die erwartete Zinssenkung der Zentralbanken nicht mit einem weiteren Rückgang der Inflation einhergehe, wäre ein Anstieg der langfristigen Zinsen – und damit einhergehend ein Rückgang der langfristigen Anleihen – zu befürchten.

Unter diesen Bedingungen habe Carmignac Gestion Aktien mit guter Visibilität – bei signifikanter Gewichtung der Schlüsselakteure der künstlichen Intelligenz – aufgestockt. Gleichzeitig habe man langlaufende festverzinsliche Anleihen deutlich reduziert, während das hauseigene Engagement in Gold von der Fortsetzung einer laxen Haushaltspolitik, der in geringerem Maße eine restriktive Geldpolitik entgegengesetzt werde, sowie von der Anhäufung geopolitischer Risiken profitiere. (hh)