Die Aktienkurse fallen wieder, die Inflation steigt – und am kommenden Mittwoch wird die US-Notenbank die Leitzinsen wohl erneut erhöhen.  All das verunsichert viele Anleger. Dennoch hält Sharmin Mossavar-Rahmani, Chefanlagestrategin der US-Investmentbank Goldman Sachs, an ihrem Rat für Investoren fest: "Bleiben Sie investiert!", sagte sie bei einem Pressegespräch, wie das "Handelsblatt" berichtet.

Damit geht die Leiterin der Investment Strategy Group von Goldman Sachs konträr gegen die Meinung anderer Finanzdienstleister, die Anlegern kürzlich geraten hatten, den Anteil an Aktien im Portfolio zu reduzieren. Das ergibt für Mossavar-Rahmani aber keinen Sinn. Aktien im Portfolio unterzugewichten sei nur dann eine gute Strategie, wenn die Gefahr einer Rezession groß sei und die Aktienmärkte diese Gefahr nicht widerspiegelten. Dies sei aktuell aber eben nicht der Fall, wird sie von der Wirtschaftszeitung zitiert.

Rezession am US-Aktienmarkt eingepreist
Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA in diesem Jahr liegt nach Meinung von Goldman Sachs bei 45 bis 55 Prozent. Für die kommenden beiden Jahre liege die Wahrscheinlichkeit bei 65 bis 75 Prozent. Technisch sind die USA mit zwei aufeinanderfolgenden Quartalen schrumpfender Wirtschaft zwar schon in eine Rezession gerutscht.

Die Großbank hält sich aber an die offizielle Rezessionsdefinition des National Bureau of Economic Research, das erst dann von einer Rezession redet, wenn diese sich für mehrere Monate über die gesamte Wirtschaft erstreckt. Der Arbeitsmarkt in den USA ist noch sehr robust und die Konsumnachfrage weiterhin relativ hoch. Dennoch preist der US-Aktienmarkt nach Meinung von Mossavar-Rahmani schon zu weiten Teilen eine Rezession ein, so das "Handelsblatt".

Optimistisches Szenario
Die Finanzexpertin argumentiert der Zeitung zufolge, dass der S&P 500 seit seinem Allzeithoch im Januar um rund 18 Prozent eingebrochen sei. In der Spitze verlor er bis Mitte Juni sogar 25 Prozent auf nur noch rund 3600 Punkte. Auf diesem Niveau bildete er laut Goldman Sachs komplett eine milde Rezession ab. Bei einer sich weiter eintrübenden Wirtschaft könnte der S&P 500 bis Ende nächsten Jahres entsprechend um weitere sieben Prozent fallen.

Diesem Szenario misst die Goldman-Sachs-Strategin aber eine Wahrscheinlichkeit von nur 30 Prozent zu. Für wahrscheinlicher halten sie und ihr Team das Szenario einer im nächsten Jahr nominal um 5,5 Prozent wachsenden US-Wirtschaft, in der die Unternehmen im S&P 500 ihre Gewinne im Schnitt um vier bis sechs Prozent steigern.

Potenzial für den S&P 500
In diesem Fall gäbe es für den S&P 500 bis Ende 2023 ein Aufwärtspotenzial von um die 17 Prozent auf 4500 bis 4600 Punkte. Die Wahrscheinlichkeit dafür beziffert Mossavar-Rahmani mit 50 Prozent, so die Wirtschaftszeitung. In der Eurozone und den Schwellenländern sei das Potenzial an den Börsen mit 13 und acht Prozent bis Ende 2023 deutlich geringer und die Gefahr einer Rezession deutlich größer. Daher raten die Strategen um Mossavar-Rahmani zu einer Übergewichtung von US-Aktien. (jb)