Die Verlangsamung des Wachstums und die stärkere Disinflation in Europa könnten die Europäische Zentralbank (EZB) dazu veranlassen, die Zinsen "genauso oft, wenn nicht sogar häufiger als die Fed zu senken, was vor ein paar Monaten noch unvorstellbar war", sagte Mohamed El-Erian, Chief Economic Advisor der Allianz und früher Chef ihres Fondsgiganten Pimco, im Interview mit "Bloomberg TV".

Fed wird bei EZB-Zinssenkung im Juni nicht mitziehen
Die mögliche Diskrepanz zwischen der Geschwindigkeit, mit der die Fed und die EZB ihre Geldpolitik lockern, "hat einen großen Einfluss auf die relative Preisbildung zwischen Europa und den USA", so El-Erian. "Das sieht man am Anleihemarkt und am Währungsmarkt." Eine Parität zwischen Euro und US-Dollar sei "eine Möglichkeit".

Händler warten auf die EZB-Ratssitzung am Donnerstag (11.4.), bei der die Währungshüter um Präsidentin Christine Lagarde voraussichtlich eine bevorstehende Zinssenkung im Juni ankündigen werden. Die EZB werde "ziemlich klar signalisieren, dass sie die Zinsen im Juni senken wird, was die Fed nicht tun wird", sagte El-Erian.

"Inflationsziel von zwei Prozent ist zu streng"
Vor der Ratssitzung werden in den USA am Mittwoch noch die für die Notenbanker wichtigen Daten zum Verbraucherpreisindex veröffentlicht. Erwartet wird ein leichter Rückgang der Kerninflation. El-Erian argumentiert, dass die längerfristigen Inflationserwartungen der Zentralbank wegen der sich verändernden makroökonomischen Bedingungen – wie Lieferketten und Produktivität – nach oben korrigiert werden sollten.

"Die Inflation wird hartnäckig sein", ist der frühere Pimco-Chef überzeugt. "Aber das sollte die Fed nicht aufhalten, denn das Inflationsziel von zwei Prozent ist zu streng für eine Weltwirtschaft, die sich in einem umfassenden Umbruch befindet." (mb/Bloomberg)