Investoren-Euphorie treibt bisweilen seltsame Blüten, nicht erst seit der legendären Tulpen-Manie. Die neueste hört auf den Namen "SPAC". Das Akronym steht für "Special Purpose Acquisition Companies" und bezeichnet zunächst geschäftslose Zweckgesellschaften, die in einem ersten Schritt über die Börse Kapital bei Risikoinvestoren einsammeln, um dieses in einem zweiten Schritt in die Übernahme eines vorher nicht fest bestimmten Unternehmens zu investieren.

Aufgeschlossene Anleger und deren Berater sollten sich vielleicht einmal näher mit SPACs auseinandersetzen. Mit den "Firmenmänteln" Geld verdienen wollen derzeit einige namhafte Unternehmen und Investoren. Darunter fallen Entrepreneur und Virgin-Gründer Sir Richard Branson, Hedgefonds-Aktivist Bill Ackmann, Facebook-Urgestein und Start-up-Guru Chamath Palihapitiya und Ex-Citi-CEO sowie M&A-Legende Michael Klein. Diese vier Experten treten derzeit als Initiatoren von SPACs auf, die zu einer Flut an US-Börsengängen geführt haben.

SPACS sind offenbar keine Nische mehr. Oliver Scharping, Portfoliomanager für Globale Aktien bei Bantleon, erklärt: "Gegenwärtig sind über 150 SPACs mit einem Gesamtmarktwert von mehr als 75 Milliarden US-Dollar auf der Jagd nach neuen Übernahmekandidaten.“ Start-ups können über SPACs direkt an die Börse gehen, anstatt weiteres Wagniskapital aufzunehmen. Ein Großteil der Anleger im deutschsprachigen Raum weiß bislang kaum etwas mit SPACs anzufangen. "Dabei sind diese Sondersituationen besonders attraktiv, weil sie die Ertragschancen von Aktien mit dem tiefen Risiko von US-Staatsanleihen kombinieren“, betont Scharping.

Mantelgesellschaft auf Unternehmenssuche
SPACs haben sich Scharping zufolge in den vergangenen Jahren zu einer sehr praktikablen Alternative zu traditionellen Börsengängen (IPOs) entwickelt. "Ein SPAC – auch Blankoscheck-Unternehmen genannt – ist eine Mantelgesellschaft ohne operatives Geschäft, die über einen Börsengang Eigenkapital von Arbitrageuren, also Endinvestoren, aufnimmt und dann versucht, ein nicht-börsennotiertes Akquisitionsziel (meist ein gereiftes Start-up) über einen festgelegten Zeitraum zu erwerben. Es dient also als Zweckvehikel, um ein privates Unternehmen an die Börse zu bringen“, erläutert Scharping.

Machten noch vor wenigen Jahren Börsengänge von solchen Zweckgesellschaften nur einen kleinen Bruchteil der gesamten Börsengänge aus, hat sich 2020 dieser Trend schlagartig verstärkt, berichtet Scharping: "SPAC-IPOs haben nun einen Anteil von fast 30 Prozent an den weltweiten Börsengängen – bei stark gestiegenem Gesamtvolumen. Gegenwärtig sind über 150 SPACs mit einem Gesamtmarktwert von mehr als 75 Milliarden US-Dollar auf der Jagd nach neuen Übernahmekandidaten. Im April waren es noch rund 25 Milliarden US-Dollar. An der Wall Street ist die Entwicklung so stark wie noch nie: Fast die Hälfte des IPO-Volumens in den USA entfällt inzwischen auf SPACs. Trotz des rasanten Wachstums ist dieses Kapitalmarktsegment im deutschsprachigen Raum kaum bekannt.“

Anteil der SPAC-Börsengänge in den USA stark gestiegen (Wert in Mrd. USD)

Quellen: Bantleon, Financial Times; Stand: Oktober 2020

Lukrativ, aber riskant
Laut Scharping können SPACs smarten Investoren sehr hohe Gewinne bringen, falls der Börsengang ein Erfolg wird. Es lauern aber auch große Risiken, denn beim Börsengang als SPAC müssen Unternehmen keinen Prospekt vorlegen, in dem auf alle Risiken detailliert eingegangen wird. Ein prominentes Negativbeispiel eines Börsengangs durch die Hintertür, der die Wichtigkeit der Due Diligence unterstreicht, ist Wirecard. Das vermeintlich erfolgreiche Unternehmen hatte nie einen richtigen Börsengang mit einem umfassenden Prospekt durchgeführt. Stattdessen ging Wirecard über eine Mantelgesellschaft namens Infogenie an die Börse.

Fazit: Der neue SPAC-"Goldrausch" birgt Gefahren, weil längst nicht jeder SPAC-Börsengang erfolgreich sein wird. "Viele junge Unternehmen, die neu über die Hintertür an die Börse gelangen werden scheitern. Die Anreizsysteme sind oft fragwürdig gestaltet und gerade am Ende der SPAC-Laufzeit werden häufig Deals um jeden Preis angestrebt", schildert Scharping.  Einer Studie von Goldman Sachs zufolge haben sich die Kurse von über 50 untersuchten SPACs seit Anfang 2018 in den drei, sechs und zwölf Monaten nach einer Fusion im Durchschnitt schlechter als der breite Aktienmarkt (S&P 500) entwickelt. (aa/ps)