Mario Draghi geht es weiter locker an. Der Italiener stellte klar, dass die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank expansiv bleibt. Sehr günstige Finanzierungsbedingungen seien weiter notwendig, sagte der oberste Euro-Währungshüter laut Reuters im Anschluss an die Notenbanksitzung an diesem Donnerstag in Frankfurt. Die Leitzinsen belässt Draghi auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Und auch am Umfang der insgesamt vorgesehenen Anleihekäufe von mehr als zwei Billionen Euro wird nicht gerüttelt – zumindest vorerst nicht

Einige Experten können die Laisser-faire-Haltung immer weniger nachvollziehen – vor allem, weil eines der geldpolitischen Hauptziele mittlerweile zum Greifen nahe ist: Die Inflation europaweit anzukurbeln.

"Worauf wartet die EZB noch?“, fragt Ottmar Lang. Das Wirtschaftswachstum in der Eurozone sei robust, die Arbeitslosigkeit sinke und die Kreditvergabe steigt. "Auch das Inflationsziel von zwei Prozent ist eigentlich erreicht", konstatiert der Chefvolkswirt der Targobank. Doch weil Draghi die Kerninflationsrate – ohne Berücksichtigung von Energie- und Nahrungsmittelpreisen – im Blick habe und diese mit aktuell 0,9 Prozent in den Augen der EZB immer noch zu niedrig sei, reicht es wohl noch nicht für einen geldpolitischen Schwenk. "1,5 Prozent müssten es schon sein, damit die Notenbanker bereit sind, ihre Geldpolitik endlich zu ändern", meint Lang.

"Die jüngste Verbesserung der Wirtschaftsdaten in der Eurozone sind kaum zu übersehen", findet auch Timothy Graf. Politische Unsicherheiten seien wohl hauptverantwortlich dafür, dass die geldpolitischen Entscheidungsträger in den kommenden Monaten weiter vorsichtig agieren, mutmaßt der Leiter der Abteilung Macro Strategy EMEA bei State Street Global Markets. "Die Inflation wird jedoch im Fokus stehen, nachdem die EZB zuletzt bereit war, über den jüngsten Inflationsanstieg hinwegzusehen", ergänzt sein Kollege Antoine Lesné.

Zwischen den Zeilen gelesen
"Der Weg in Richtung einer weiteren Reduktion der Ankäufe ist vorgezeichnet, wenngleich die EZB ihn nur sehr langsam gehen wird", erwartet Ulrike Kastens, stellvertretende Leiterin Volkswirtschaft bei Sal. Oppenheim. Sie hat einen Tonartwechsel festgestellt: Immerhin spreche Draghi nun davon, dass die Deflationsrisiken deutlich abgenommen haben und sich die  Konjunktur weiter beleben wird. "Zunächst will die EZB sicher sein, dass sich die Inflation dauerhaft in Richtung ihres Ziels entwickelt, bevor sie weitere Reduktionen der Ankäufe beschließen kann", meint Kastens.

Auch Daniel Hartmann beobachtet einen Wechsel in Draghis Wortwahl. "Das Risiko, dass die EZB weitere zusätzliche expansive Maßnahmen ergreifen muss, hat in der Tat abgenommen. Der etwas 'hawkishere' Ton dürfte in den kommenden Monaten sogar noch zunehmen", prognostiziert der Senior Analyst Economics bei Bantleon. (ps)