Die Inflation steigt, doch Sparer müssen sich erstmal weiterhin mit Nullzinsen begnügen. Das steht seit der gestrigen Sitzung des Zentralbankrates der Europäischen Zentralbank (EZB) (22. Juli) fest. Den Leitzins belässt die EZB bei null Prozent, Geschäftsbanken zahlen weiterhin 0,5 Prozent an Zinsen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken, berichten der "Tagesspiegel" sowie die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) übereinstimmend. EZB-Präsidentin Christine Lagarde begründete das Festhalten an der ultralockeren Geldpolitik mit der aktuellen wirtschaftlichen Lage. "Die Erholung der Wirtschaft im Euroraum ist auf Kurs", zitiert der "Tagesspiegel" Lagarde. "Doch die Pandemie wirft weiterhin einen Schatten, zumal die Delta-Variante eine wachsende Quelle der Unsicherheit darstellt."

Die Notenbank hatte mit Beginn der Pandemie im März 2020 ein auf zwei Jahre befristetes Notfall-Anleihekaufprogramm aufgelegt, mit dem sie Staats- und Unternehmensanleihen in Höhe von 1,85 Billionen Euro erwirbt. Dieses Programm dürfte die EZB nun auch nach dem März 2022 beibehalten. Indes müssen Sparer sich weiterhin in Geduld üben, denn eine Zinserhöhung im Jahr 2023 oder 2024 ist durch die jüngsten Beschlüsse unwahrscheinlicher geworden, mutmaßt Andreas Bley, Chefvolkswirt des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR). "Damit verlängert sich die Belastungsprobe anhaltender Minuszinsen für Sparer und die Finanzwirtschaft", sagte er gegenüber dem "Tagesspiegel". Degussa-Chefvolkswirt Thorsten Polleit schließt sich dem an : "Sollten noch Zweifel bestanden haben, was gespielt wird, so dürfte nunmehr klar sein, dass die EZB für japanische Zinsverhältnisse sorgen wird, und zwar dauerhaft und nachhaltig."

Inflationsziel erhöht
Neben der Entwicklung der Pandemie spielt auch die Inflation für die EZB-Entscheidungen eine tragende Rolle. Das neu festgelegte Inflationsziel der Notenbank liegt nicht mehr knapp unter der Zwei-Prozent-Marke, sondern bei genau zwei Prozent. Auch ein kurzfristiges Überschießen des Inflationsziels würde die EZB tolerieren, schreibt die SZ. In diesem Fall sähe sich die Notenbank nicht gezwungen, ihre Geldpolitik sofort zu straffen. Die aktuelle Inflationsrate von 1,9 Prozent sieht die Zentralbank nur als vorübergehend an.

"Der Verweis der EZB auf ein vorübergehendes Überschießen der Inflation die Märkte wahrscheinlich nicht dauerhaft beeindrucken, wenn man bedenkt, dass die vorherige, konservativere Definition von Preisstabilität lange Zeit verfehlt wurde.", sagt Konstantin Veit, Portfoliomanager bei Pimco Und Jörg Angelé, Senior Economist bei Bantleon, ergänzt: "Die Währungshüter könnten bei einer Fehleinschätzung der Inflationsentwicklung in zwei oder drei Jahren dazu gezwungen werden, stärker auf die geldpolitische Bremse zu treten als bei vorausschauendem Handeln. Das würde zu einer Verstärkung konjunktureller Auf- und Abschwungphasen führen, statt diese zu glätten..   (fp)