Eines ist schon mal klar, bevor die Europäische Zentralbank (EZB) diesen Donnerstag (7.3.) über die Euro-Leitzinsen entscheidet. An den Leitzinsen selbst wird sich nichts ändern. Mit etwas Ironie veranschlagt etwa Carmignac-Portfoliomanager Kevin Thozet die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung auf nahe null Prozent, noch geringer sei nur die Chance einer Anhebung. Spannender als die eigentliche Zinsentscheidung dürften die neuesten Makroprojektionen der EZB zu Inflation und Wirtschaftswachstum sowie die Kommentare von EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag sein.

Märkte erwarten nur noch drei Leitzinssenkungen 2024 
Denn die ambitionierten Zinssenkungserwartungen von Jahresanfang haben zuletzt einen Dämpfer erhalten. Gingen die Märkte Anfang Januar noch von sechs Zinssenkungen um je 25 Basispunkte aus, preisen sie nun noch insgesamt drei Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte bis Ende 2024 ein. Der Einlagensatz würde damit auf 3,25 Prozent sinken. "Das ist eine deutlich konservativere Markterwartung als noch zu Beginn des Jahres", sagt Tomas Peeters, Geschäftsführer bei Baufi24 Baufinanzierung. Auch Konstantin Veit, EZB-Experte bei Pimco, sagt: "Die Märkte haben seit Ende des vergangenen Jahres ein beträchtliches Maß an Zinssenkungen wieder ausgepreist."

Die EZB-Entscheidungsträger hatten immer wieder betont, die Zinsen so lange wie nötig auf dem aktuellen Niveau von vier Prozent für den Einlagensatz zu belassen, um einen erheblichen Beitrag zum nachhaltigen Erreichen des Inflationsziels von zwei Prozent zu leisten. Dabei kommt die EZB gut voran. Derzeit sieht es so aus, als würde die Teuerungsrate sogar schneller sinken, als die EZB selbst noch vor Kurzem erwartete. Der Januar-Wert lag bei 2,8 Prozent und für den Februar erwarten Analysten im Durchschnitt nur 2,5 Prozent – damit läge die Teuerung bereits unter den 2,7 Prozent, welche die EZB in ihren Projektionen im Dezember noch für das Gesamtjahr 2024 erwartet hatte.

Die Teuerung sinkt auch aufgrund der zuletzt deutlich niedrigeren Öl- und Gaspreise, was sich aber in der Kerninflation noch nicht widerspiegelt. Zugleich scheint das Lohnwachstum trotz der hohen Beschäftigung nachzulassen, damit sinkt das Risiko für die von der EZB befürchteten Zweitrundeneffekte. Bei der Konjunktur sind die Vorzeichen gemischt: Verschiedene Frühindikatoren wie der Einkaufsmanagerindex signalisieren eine konjunkturelle Kontraktion, während sich die Auftragseingänge stabilisieren. "Es gibt vorsichtige Anzeichen dafür, dass die Wirtschaft im vierten Quartal 2023 ihren Tiefpunkt erreicht und im ersten Quartal 2024 wieder leicht an Fahrt aufgenommen hat", sagt Vanguard-Ökonom Shaan Raithatha. In diesem Umfeld dürfte die EZB weiter abwarten und EZB-Präsidentin Lagarde ihre datenabhängige Vorgehensweise betonen. 

EZB dürfte vor der Fed handeln
Der Markt rechnet weiter mit ersten Leitzinssenkungen im Juni, auch Portfoliomanager Volker Schmidt von Ethenea glaubt: "Wir müssen noch mindestens ein Quartal auf Zinssenkungen warten." Bis vor Kurzem waren Marktbeobachter eigentlich davon ausgegangen, dass die EZB erst nach der Fed die Zinsen senkt. In den USA mehren sich aufgrund der starken Konjunktur aber die Zeichen, dass Zinssenkungen erst später kommen und geringer ausfallen werden. "Angesichts des Zustands der Volkswirtschaften gehen wir derzeit davon aus, dass am ehesten die EZB an der Zinsschraube drehen wird. Das dürfte die europäischen Zinssätze deutlich unter denen der USA halten", heißt es etwa bei Nikko Asset Management.

Für Investoren würden sinkende Euro-Leitzinsen bedeuten, dass Anleihenkurse tendenziell Aufwind bekommen. Ob der Euro angesichts des tendenziell höheren Zinsvorsprungs des Dollar-Raums seinen mittelfristigen Aufwärtstrend fortsetzen kann, ist dagegen sehr fraglich. (jh)