Die deutsche Konjunktur kühlt sich ab. In einer solchen Lage raten Ökonomen zu einem antizyklischen Verhalten des Staates: Regierungen sollten sinkende Steuereinnahmen nicht mit einer Kürzung der Ausgaben begegnen. Denn mit den richtigen politischen Maßnahmen lassen sich die negativen Auswirkungen der konjunkturellen Flaute abfedern, so die volkswirtschaftliche Theorie.

Selbst der Vertrag von Maastricht sieht in seinen Regeln das daraus resultierende Defizit im staatlichen Haushalt als notwendig an. "Es gibt also überhaupt keinen Grund, um jeden Preis an einem ausgeglichenen Haushalt festzuhalten, wie es bislang noch politische Doktrin in Berlin zu sein scheint", sagt Axel Angermann, Chefökonom bei Feri.

Im Gegenteil: Für die Bundesrepublik ist es derzeit sogar ungewöhnlich günstig, sich zu verschulden. Die solide Haushaltsführung der vergangenen Jahre hat Spielraum für temporäre Defizite geschaffen. "Weil Deutschlands Gesamtverschuldung im laufenden Jahr unter der Grenze von 60 Prozent des BIP liegt, wäre eine leichte Ausweitung kein Problem", ist der Feri-Experte überzeugt. Hinzu kommt: Die Steuereinnahmen sind nach wie vor hoch. Allein für die ersten sechs Monaten des laufenden Jahres beläuft sich der Überschuss des Staates auf rund 45 Milliarden Euro.

Investitionen mit Bedacht
An der deutschen Konjunktur hängt nicht allein der Wohlstand der Bundesrepublik. Eine Wirtschaftsflaute in Deutschland würde auch die Stabilität des Euroraums beeinträchtigen. Eine Abkehr von der "schwarzen Null" empfiehlt sich aber dem Experten zufolge allein schon aus gesundem Eigeninteresse: Deutschland muss für die Sicherung seiner eigenen Zukunftsfähigkeit massive Investitionen in Infrastruktur, Bildung, Forschung und Technologie tätigen, erklärt Angermann. Auch um den Strukturwandel abzufedern und die Klimaziele zu erreichen, hält der Volkswirt den Verzicht auf einen ausgeglichenen Haushalt für ratsam. Klar ist aber auch: "Das ist kein Plädoyer für ein unkontrolliertes Öffnen aller haushaltspolitischen Schleusen." (fp)