Ob Portugal oder Großbritannien: Die Delta-Variante hängt zurzeit über vielen europäischen Ländern wie eine dunkle Wolke. Marktexperten wie Axel Angermann geben sich dennoch optimistisch und sehen in der neuen Spielart des Coronavirus zumindest keine Gefahr für die Konjunktur. "Die Delta-Variante wird insgesamt die wirtschaftliche Erholung in Europa merklich belasten, wahrscheinlich aber nicht zu einem neuen Konjunktureinbruch führen", sagt der Chefvolkswirt des Vermögensverwalters Feri.

Feri-Ökonom Angermann glaubt, dass es anders als im vergangenen Jahr nicht erneut zu längeren Lockdowns kommen wird, die der Wirtschaft schaden. Schließungen von Einzelhandelsgeschäften, Restaurants oder Hotels seien wegen der steigenden Impfquoten kaum mehr zu vermitteln. "Neue Lockdowns dürften also nur noch schwer durchsetzbar sein", sagt Angermann. Ob es tatsächlich seitens der Regierungen zu keinerlei Einschränkungen kommt, hängt allerdings entscheidend vom Impffortschritt ab. Da die vorhandenen Impfstoffe größtenteils auch gegen die Delta-Variante wirken, infizieren sich derzeit überwiegend die nicht vollständig Geimpften. Nur mit fortschreitendem Impferfolg lassen sich bei einer möglichen vierten Welle im Herbst erneute Schließungen verhindern, meint Angermann.

Delta als Stimmungskiller
Trotz allem Optimismus dürfte die Delta-Variante dem wirtschaftlichen Aufschwung in der zweiten Hälfte dieses Jahres einen Dämpfer versetzen, erwartet Angermann. Zum einen sorgt sie an den Märkten und bei Anlegern für Unruhe. "Darunter leidet die für einen robusten Aufschwung wichtige Stimmung", erklärt Angermann. "Dass die Märkte nervös sind, dürfte vor allem daran liegen, dass bereits ein hohes Maß an wirtschaftlicher Erholung eingepreist wurde." Zum anderen sind weitere Lockerungen politisch zurzeit kaum umsetzbar, was die Einnahmen in wichtigen Dienstleistungsbereichen wie Kultur oder Gastronomie weiter begrenzt. Außerdem zeichnen sich schon heute Reisewarnungen und sogar -beschränkungen ab, die Wirtschaftszweige wie den Tourismus einmal mehr stark belasten dürften. 

Ähnlich wie im vergangenen Jahr dürfte die europäische Konjunktur wieder unter der internationalen Abhängigkeit ihrer Lieferketten leiden. Während Feri-Chefvolkswirt Angermann in Europa Lockdowns eher ausschließt, hält er sie in anderen Ländern wie Australien mit bisher wenigen vollständig Geimpften für wahrscheinlich. Das könnte "die wirtschaftliche Erholung in der europäischen Industrie bremsen und außerdem zu weiteren Preissteigerungen für die betroffenen Produkte führen", warnt Angermann. (fp)