Der Kölner Vermögensverwalter Bert Flossbach räumt Schwierigkeiten ein, eine plausible Erklärung für den zuletzt rasant gestiegenen Goldpreis zu finden. Dieser "irritiert vor allem deshalb, weil er sich in einem für Gold denkbar schlechten Umfeld vollzog. Ein fester Dollar und steigende Anleiherenditen sind nicht gut für das zinslose Gold", schreibt Flossbach in seinem soeben erschienenen Kapitalmarktbericht zum ersten Quartal 2024. "Noch schlechter sind steigende Realrenditen inflationsgeschützter Anleihen wie zuletzt in den USA."

Deshalb sei es nicht erstaunlich, dass die Investmentnachfrage nach dem Edelmetall in den vergangenen Monaten deutlich gesunken sei, was sich an den schrumpfenden Beständen der Gold-ETFs ablesen lasse. "Was allerdings verwundert, ist die Tatsache, dass der Goldpreis trotzdem immer weiter steigt", so Flossbach. Andere Marktbeobachter erklären sich die Rally mit den wachsenden geopolitischen Unsicherheiten oder den fallenden Inflationsraten, die baldige Zinssenkungen zur Folge haben dürften. Doch diese Gründe ergeben für Flossbach ebenfalls keinen Sinn, denn diese Faktoren würden die Investmentnachfrage befeuern, die aber beständig zurückgehe. "Auch die Notenbanken, die sich aus unterschiedlichen Gründen zunehmend von US-Staatsanleihen abwenden und ihre Goldreserven langfristig behutsam ausbauen wollen, dürften kein Interesse an einem rasant steigenden Goldpreis haben", meint der Vermögensverwalter.

"Finanzakrobaten mit Futures-Kontrakten"
Der Portfoliomanager schätzt, dass eine zusätzliche Goldnachfrage von mehreren hundert Tonnen nötig sein dürfte, um einen Preisanstieg von 15 bis 20 Prozent zu bewirken. "Es spricht also einiges dafür, dass andere Käuferschichten aktiv geworden sind", so Flossbach. "In Betracht kommen vor allem die traditionell goldaffinen Chinesen, die sich derzeit in einem Anlagenotstand befinden." Er verweist auf die enttäuschende Entwicklung am chinesischen Aktienmarkt, die gefallenen Zinsen auf Finanzprodukte und die Krise am Immobilienmarkt der Volksrepublik. "Die chinesischen ETF-Volumina waren Ende Februar mit rund 60 Tonnen aber sehr gering – und dass chinesische Privatanleger tonnenweise Goldbarren nach Hause schleppen, ist uns bisher nicht zu Ohren gekommen", schreibt Flossbach. Insider des Edelmetallmarktes würden staatliche Stellen aus China, Saudi-Arabien und Russland als mögliche Käufer nennen, denen "Finanzakrobaten mit Futures-Kontrakten gefolgt sein könnten".

Positiv für Gold wären vor allem negative Realzinsen, wie es sie beispielsweise in Japan immer noch gebe, argumentiert Flossbach. In den USA liege der Realzins inflationsgeschützter Anleihen aber bei plus zwei Prozent. Damit das Edelmetall für amerikanische Investoren wieder als Inflationsschutz attraktiv werde, müssten die Realzinsen in den Vereinigten Staaten also deutlich fallen. "Dazu bräuchte es hohe Staatsdefizite und steigende Schuldenquoten, die die Fed zwingen könnten, ihre Geldpolitik trotz hartnäckiger Inflation zu lockern, um die Finanzmarktstabilität auf Kosten der Preisstabilität zu sichern", überlegt der Vermögensverwalter.

"Es können auch mal Gewinne mitgenommen werden"
Für Flossbach von Storch bleibe Gold, das in der milliardenschweren "Multiple Opportunities"-Strategie zuletzt 13 Prozent des Portfolios ausmachte, ein "Wertspeicher". Der Fondsmanager sieht das Edelmetall "als Versicherung gegen viele bekannte und unbekannte Risiken", denn Gold habe kein Gegenparteirisiko. "Und wenn der Preis in allzu luftige Höhen schießt, können auch mal Gewinne mitgenommen werden." (bm)