Russische Truppen rücken in die Ukraine vor – und sorgen für große Unsicherheit an den Börsen. "So unberechenbar die politische Eskalation und Lage ist, so greifbar sind jetzt doch die denkbaren weltwirtschaftlichen Auswirkungen", meint Thomas Böckelmann, leitender Portfoliomanager des Vermögensverwalters Euroswitch, in einer ersten Markteinschätzung.

Auch wenn Russland und die Ukraine für die Weltwirtschaft eine eher untergeordnete Rolle spielten, seien sie doch bedeutende Energie- und Getreidelieferanten. Böckelmann rechnet damit, dass "diese Lieferungen dramatisch zurückgehen werden und damit die entsprechenden Marktpreise steigen" – sei es durch politischen Willen Russlands (Erpressung), regionale Zerstörung oder Sanktionen des Westens.

"Wie ein Flummi hin- und her"
"In einem ohnehin inflationären Umfeld kämen weitere Preisanstiege zur Unzeit", mahnt Böckelmann. "Insbesondere steigende Energie- und Getreidepreise sind emotional und bergen sozialen und damit politischen Sprengstoff."

Die erwarteten Konsum- und Gewinnrückgänge würden außerdem das Wirtschaftswachstum bremsen. "Zurecht darf man daher die jüngsten Ereignisse in ihren Auswirkungen als 'stagflationär' bezeichnen – steigende Preise bei sinkender wirtschaftlicher Aktivität", erläutert Böckelmann. Er erinnert an die 1970er Jahre, in denen die Aktienmärkte "über Jahre wie ein Flummi hin- und hergesprungen sind".

"Neue Zukunftsperspektiven"
Ein allzu düsteres Bild möchte Böckelmann jedoch nicht malen: "Eine echte Geschlossenheit des Westens hingegen würde sogar neue Zukunftsperspektiven eröffnen, zumal Putin damit nicht zu rechnen scheint." Russland drohe dank der Monostruktur seiner Wirtschaft der ökonomische Selbstmord, wenn niemand sein Öl und Gas kaufe.

Offen ist die Frage, was die militärische Auseinandersetzung in der Ukraine für die Zinspolitik der großen Notenbanken bedeutet. Eigentlich müssten die Zinsen angesichts der Inflation weiter steigen. "Der erneute Krisenmodus könnte aber dazu führen, dass die befürchteten Anstiege im Ausmaß schwächer ausfallen", so Böckelmann. Inflationsraten unter zwei Prozent seien "mittelfristig eher unwahrscheinlich". Verzinste Anlagen blieben nach Abzug der Inflation daher weiterhin "vermögensvernichtend". Er richte seinen Fokus daher weiter auf Realwerte wie Aktien, Immobilien, Infrastruktur und Rohstoffe. (bm)