In den USA schlagen derzeit viele Marktbeobachter Alarm, weil eine inverse Zinsstrukturkurve droht. Das ist immer dann der Fall, wenn die Renditen kurzfristiger Anleihen tendenziell über denen von langlaufenden Schuldtiteln liegen. Manche Experten sehen darin einen Vorboten für eine baldige Rezession. Möglicherweise zu Unrecht, findet Sonal Desai, Chefanlagestratege bei Franklin Templeton.

Zwar hat die Zinsstrukturkurve beziehungsweise die Renditedifferenzkurve aus zehn- und dreimonatigen US-Schatzbriefen in der Vergangenheit bevorstehende Konjunktureinbrüche relativ zuverlässig und zeitig angezeigt (grau hinterlegte Flächen im nachfolgendem Schaubild). Doch seit der Finanzkrise haben sich die Gegebenheiten grundlegend geändert: So habe die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) durch ihre gezielten Anleihekäufe den Markt derart stark verzerrt, dass der Verlauf der US-Zinsstrukturkurve als Signal de facto bedeutungslos geworden sei, so die Expertin.

Seit dem Jahr 2009 hat die Fed erhebliche Mengen an Staatsanleihen gekauft und die Kurse der Wertpapiere damit stark beeinflusst. Desai zufolge hat sich das lange Ende der Zinsstrukturkurve damit fast vollständig von den Fundamentaldaten gelöst, die das Wirtschaftswachstum bestimmen.

Dass der Markt dem Verlauf der Zinsstrukturkurve dennoch unverändert eine große Bedeutung beimisst, findet die Anlageexpertin "verblüffend". Sie hält eine US-Rezession für sehr unwahrscheinlich – zumindest kurzfristig.

Kein Grund zur Panik
Auch Bantleon-Experte Markus Tischer rechnet vorerst nicht mit einem scharfen Abschwung in den Vereinigten Staaten. Eine Rezession sei nämlich nur dann wahrscheinlich, wenn die Zinskurve über einen längeren Zeitraum hinweg invers ist. Das sei derzeit noch nicht der Fall. "Darüber hinaus begann bislang keine Rezession ad hoc nach dem Invertieren der Zinskurve, sondern immer erst mit einem komfortablen zeitlichen Abstand von 153 bis 487 Tagen", erklärt der Portfoliomanager. "Zeit genug also, um Risikoassets wie Aktien zu verkaufen, sollte die Kurve tatsächlich nachaltig invertieren."

Danske-Invest-Chefstrategin Tine Choi geht ebenfalls davon aus, dass sich der wirtschaftliche Aufschwung in den USA vorerst fortsetzen wird. Das dürfte auch die weltweiten Aktienmärkte weiter beflügeln. Anlegern eröffnen sich dadurch Chancen: "Globale Aktien werden in den kommenden zwölf Monaten erwartungsgemäß eine Rendite von sieben bis neun Prozent erzielen", ist Choi überzeugt. (fp)