1999 war Steve Jobs gerade an die Spitze von Apple zurückgekehrt. Intel war die dominierende Kraft im Halbleiterbereich. Und ein kaum bekannter Chiphersteller namens Nvidia gab sein Debüt an der Nasdaq. Es dauerte weniger als drei Jahre, bis Nvidia in den S&P 500 aufstieg – wo das Unternehmen den im Skandal kollabierten Ölkonzern Enron ersetzte. Dass sich der Grafikchip-Spezialist zur Aktie mit der besten Performance eines Vierteljahrhunderts entwickeln würde, hätte da wohl keiner gedacht. 

Die Gesamtrendite von Nvidia seit dem Börsengang liegt, einschließlich reinvestierter Dividenden, inzwischen bei 591.078 Prozent – getrieben von der Euphorie um künstliche Intelligenz. Sie erfordert enorme Rechenkraft und wird zum Großteil von Chips angetrieben, wie sie bislang hauptsächlich im Grafikbereich eingesetzt wurden. 

Allein zwei Billionen Dollar Wertsteigerung im Jahr 2024
Am Dienstag (18.6.) lief Nvidia nun Microsoft den Rang als wertvollstes Unternehmen der Welt ab. Die Marktkapitalisierung kletterte auf 3,34 Billionen US-Dollar. Mehr als zwei Billionen Dollar dieses Wertes kamen erst in diesem Jahr hinzu.

Langjährige Nvidia-Aktionäre indessen mussten drei Jahre verkraften, in denen die Aktie 50 Prozent oder mehr abgesackt ist. Um die derzeitige Rally aufrechtzuerhalten, müssen die Kunden weiterhin Milliarden von Dollar pro Quartal für KI-Ausrüstung ausgeben. Deren Kapitalrendite aber ist bisher relativ gering.

Heißer Start
Zwischen dem Börsendebüt und der Aufnahme in den S&P 500 legte die Nvidia-Aktie um mehr als 1.600 Prozent zu und erreichte damit einen Marktwert von rund acht Milliarden Dollar. Viele andere Technologieaktien indessen brachen nach der Dotcom-Blase, die im März 2000 ihren Höhepunkt erreichte, ein.

Durchbruch mit PC-Gaming
Der Schlüssel zum frühen Erfolg des Unternehmens: die Integration seiner Technologie in Videospielkonsolen wie Microsofts Xbox und Sonys Playstation. Nvidias Geforce-Grafikprozessoren (GPUs) wurden bei Gamern begehrt, weil sie stets das realistischste Spielerlebnis boten. "Jede neue Hardware-Generation lieferte eine viel bessere Leistung, ein viel realistischeres Bild, und dann wurde PC-Gaming wirklich ein Thema", sagt Rhys Williams, Chefstratege bei Wayve Capital Management, der beim Börsengang als Käufer dabei war. 

Krisenjahre
2008 stürzte die Aktie ab, als die Finanzkrise die Nachfrage schwächte und der Konkurrent AMD die Trendwende schaffte. Ein Rechtsstreit mit Intel belastete das Geschäft, mündete 2011 allerdings in einen Vergleich, bei dem Nvidia eine Zahlung von 1,5 Milliarden Dollar erhielt.

Im folgenden Jahr stellte Nvidia Chips für Server in Rechenzentren vor. Diese könnten bei anspruchsvollen Berechnungen wie der Öl- und Gasexploration und der Wettervorhersage eingesetzt werden. Nvidia stieß damit in einen lukrativen Markt vor. Reißenden Absatz fanden die Chips indessen nicht sofort. An der Börse sollte es fast neun Jahre dauern, bis Nvidia das Kurshoch von 2007 übertraf.

Comeback
2015 erlebte die Nvidia-Aktie einen erneuten Aufschwung. In dieser Zeit wurden die Chips des Unternehmens zur Grundlage neuer Technologien, von fortschrittlichen Grafikschnittstellen über autonome Fahrzeuge bis hin zu einer neuen Welle von KI-Produkten. Damals wurde Shana Sissel, Chefin von Banrion Capital Management, zum ersten Mal auf das Unternehmen aufmerksam. Sie erinnert sich an eine Konferenz im Jahr 2017, bei der Nvidia eher wie der Sieger eines Schönheitswettbewerbs wirkte denn als Investmentidee. "Jeder einzelne Redner sprach davon, dass Nvidia das wichtigste Unternehmen sei", sagt Sissel. "Da kamen sie wirklich auf meinen Radarschirm."

Nachdem die Nachfrage von Krypto-Minern nachließ, stiegen die Umsätze der Rechenzentren weiter an. Die Covid-19-Pandemie kurbelte das Geschäft an, da Unternehmen mit dem Einzug des Homeoffice zusätzliche Rechenleistung benötigten. Der Umsatz von Nvidia im Bereich Rechenzentren verachtfachte sich von 2017 bis 2021.

2022 ging die Nvidia-Aktie zusammen mit dem Rest des Technologiesektors auf Talfahrt, belastet von steigenden Zinsen und sinkender Nachfrage.

KI sorgt endgültig für fulminanten Siegeszug
Ende 2022 dann sorgte die Veröffentlichung von ChatGPT durch OpenAI sofort für Aufsehen. Es dauerte aber eine Weile, bis die Investoren erkannten, dass Nvidia davon profitieren würde. Schließlich explodierte das Interesse an ChatGPT und anderen Chatbots – und löste einen rasanten Anstieg der Bestellungen von Nvidia-Chips aus.

Als das Unternehmen die Ergebnisse des ersten Quartals 2023 bekannt gab, war das Ausmaß des Geschäftswachstums für fast alle an der Wall Street ein Schock. Nvidia gab für den Quartalsumsatz einen Ausblick, der mehr als 50 Prozent über der durchschnittlichen Analystenschätzung lag.

Im Geschäftsjahr 2023 übertrafen die Umsätze von Nvidia im Bereich Rechenzentren erstmals die Einnahmen aus dem Gaming-Bereich. Analysten erwarten, dass diese Umsätze im laufenden Geschäftsjahr von Nvidia die 100-Milliarden-Dollar-Marke übersteigen werden. "In der Branche haben sie eine sehr gefestigte Position", sagt Stratege Williams von Wayve Capital Management. "Einen Marktanteil von 95 Prozent werden sie natürlich nicht halten, aber es wäre für jeden fast unmöglich, sie zu ersetzen." (mb/Bloomberg)