"Folgt dem Geld", riet der "Deep Throat" genannte Informant den Washington-Post-Reportern Bob Woodward und Carl Bernstein, die den Watergate-Skandal enthüllten. So ähnlich verfahren derzeit auch viele Anleger.

Auf den ersten Blick scheint es seltsam, dass die Aktienkurse immer weiter klettern – die Covid-19-Pandemie ist schließlich noch in vollem Gange. Auf den zweiten Blick müssen die gewaltigen Mengen an Geld, die Staaten und Notenbanken in den Markt pumpen, aber irgendwo hin, sagt Rainer Weyrauch, Mitglied des Managementgremiums für die Vermögensverwaltungen bei der Fürst Fugger Privatbank. Für klassische Unternehmensinvestitionen würden sie jedenfalls nicht genutzt. "Die Firmenentscheider der Industrie-Branchen üben sich in Zurückhaltung", sagt Weyrauch. "Stattdessen fließt ein nicht unerheblicher Teil dieser 'Wiederaufbaugelder' in den Kapitalmarkt." Bereits ein kleiner Teil der aktuellen Geldströme würde genügen, um die Vermögenspreise weiter in die Höhe schnellen zu lassen.

An den Wohnungsmärkten sieht es ähnlich aus wie an den Börsen. Die Preise steigen und steigen. Kein Wunder, sagt Weyrauch: Kredite kosten schließlich fast nichts mehr. "Daran scheint auch die Coronakrise nichts geändert zu haben." Lediglich bei Gewerbeimmobilien macht sie sich bemerkbar. "Es ist nicht davon auszugehen, dass das Homeoffice nur eine vorübergehende Erscheinung bleibt", sagt der Fürst-Fugger-Experte.

Probleme? Welche Probleme?
Die Liquidität, mit der die Märkte geflutet werden, dürfte in den kommenden Monaten sämtliche Probleme überdecken, die in normalen Börsenphasen eine Korrektur ausgelöst hätten, prophezeit Weyrauch. Er nennt exemplarisch den No-Deal-Brexit, den immer noch schwelenden Handelskrieg zwischen den USA und China, die anstehenden US-Wahlen sowie die Eskalation zwischen der Türkei und Griechenland. "Jeder kleine Rückschlag wird zum Nachkaufen genutzt, selbst die traditionelle Sommerpause ist bisher ausgefallen", sagt der Anlagespezialist.

Noch läuft der Markt nicht Gefahr, zu überhitzen, glaubt Weyrauch. "Erst wenn die letzten Skeptiker aufgeben, wird es gefährlich", sagt er. "Dann wird es Zeit, Gewinne mitzunehmen. Bis dahin nutzen wir die Chancen, die der Markt bietet, aber stets wachsam und ohne übermütig zu werden." Denn die Lage kann rasch drehen. (fp)