Otmar Issing, ehemaliger Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), warnt vor den Folgen kostenloser Finanzspritzen der Zentralbanken an Firmen und Verbraucher. Mit der Diskussion darüber werde ein falscher Eindruck von Chaos erweckt, berichtet "Die Welt".

"Die ganze Idee des ,helicopter money' halte ich für besorgniserregend, für geradezu verheerend. Denn das ist ja nichts anderes als eine Bankrotterklärung der Geldpolitik", sagte Issing gegenüber der Zeitung. "Eine Notenbank, die Geld verschenkt, wird kaum mehr die Kontrolle über die Notenpresse wiedererlangen können."

Weil die bisherigen Notenbank-Maßnahmen nicht die erhofften Erfolge brachten, wird die Idee, Notenbanken gezielte Finanzspritzen an Unternehmen und Verbraucher zu ermöglichen, immer populärer. Selbst EZB-Präsident Mario Draghi hatte den Gedanken neulich auf Nachfrage eines Journalisten als grundsätzlich "sehr interessantes Konzept" bezeichnet. 

Welcher Weg dabei am sinnvollsten ist (siehe Grafik), ist unter Kommentatoren und Wirtschaftsexperten allerdings höchst umstritten. In der Wissenschaft könne man sich alles Mögliche überlegen, da existiere kein Denkverbot, so Issing. "Aber diese Debatte hat ja den öffentlichen Raum erreicht. Ich halte das für eine totale Geistesverwirrung", sagte er zur "Welt". 

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Technisch gebe es keine Grenze für die Munition. "Inhaltlich stellt sich schon die Frage, was man mit immer expansiveren Mitteln der Geldpolitik erreichen will. Meine Besorgnis kann ich nicht verhehlen", sagte Issing, der nach acht Jahren als Chefvolkswirt der Deutschen Bundesbank anschließend in gleicher Position beim Aufbau der EZB eine maßgebliche Rolle spielte.

"Was ich vor allem beklage ist, dass die wirtschaftliche Lage in der Welt in ein Chaos hineingeredet wird, von dem keine Rede sein kann", betonte der Wirtschaftsprofessor gegenüber der Zeitung. (ps)