Derzeit sorgen einige Familienunternehmen mit internen Schlammschlachten für Schlagzeilen. Dabei ist gerade im aktuellen Börsenumfeld dieses Value-Segment für Anleger attraktiv, meint Wolfgang Zinn, geschäftsführender Gesellschafter des Düsseldorfer Vermögensverwalters GS&P Grossbötzl, Schmitz & Partner und verantwortlich für den GS&P Fonds Family Business, in einem Gastbeitrag für FONDS professionell ONLINE. (bm)


Die deutsche Wirtschaft schrammt nur knapp an der Rezession vorbei, die Volatilität an den Märkten ist hoch, das Kursniveau ebenfalls. Wo bieten sich in diesem Umfeld noch Renditechancen – und zwar kontinuierlich und mit geringer Volatilität? Konkret: Wo findet man noch fair bewertete Value-Aktien? Eine Antwort findet sich abseits der grellen Kapitalmarktscheinwerfer bei Familienunternehmen (oder besser: eignerdominierten Unternehmen), dem vielgepriesenen aber oft belächelten Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Die Firmen in diesem Segment unterscheiden sich zwar hinsichtlich Branchen, Größen, Umsatz, Mitarbeiterzahlen etc., sie haben jedoch eines gemeinsam, nämlich eine langfristige, konservative und risikoaverse Geschäftsstrategie.

Allerdings lassen hier derzeit einige Unternehmen (zum Beispiel Tönnies, Piepenbrock, Porsche) mit frag- und merkwürdigen innerfamiliären Querelen aufhorchen. Von öffentlicher Beschimpfung der Familienmitglieder bis hin zu handfesten gerichtlichen Auseinandersetzungen reicht das Schlammschlacht-Repertoire. Sind diese prominenten Fälle nur die Spitze des Eisbergs? Sind diese repräsentativ für die "Gefahr", dass ein Investor den Launen bzw. Emotionen der Mehrheitsgesellschafter ausgeliefert ist? Sind eignerdominierte Unternehmen, die in den Anlegerdepots deutlich unterrepräsentiert sind, überhaupt geeignete Investment-Alternativen?

Blick auf die Zahlen
Wie so oft hilft zur Beantwortung ein Blick auf die Zahlen. In unserem Verständnis zeichnen sich eignerdominierte Unternehmen dadurch aus, dass sich mindestens 30 Prozent des Grundkapitals in der Hand einer Familie befinden. Der Stellenwert dieser Unternehmen für die deutsche Wirtschaft ist atemberaubend: 65 Prozent aller Arbeitnehmer sind hier beschäftigt, erwirtschaften 66 Prozent des deutschen BIPs und machen 82 Prozent aller in Deutschland registrierten Unternehmen aus (je nach Definition von "Familienunternehmen" sind diese Werte sogar noch höher). Zudem zeigten diese Firmen ein durchschnittliches Eigenkapital von 42 Prozent und konnten ihre Umsatzrentabilität in den vergangenen Jahren deutlich steigern – in einem schwächer werdenden Konjunkturumfeld keine schlechte Ausgangslage.

Kein Wunder, dass sich dies gerade im aktuellen volatilen Umfeld positiv in den Aktienkursen bemerkbar macht: So übertraf der DAXplus Family 30 Index, der die 30 größten und liquidesten börsennotierten Familienunternehmen Deutschlands umfasst, den DAX 30 in den vergangenen drei Monaten um rund fünf Prozent, aufs ganze Jahr 2014 gesehen sogar um über sieben Prozent – und das bei etwa 1,5 Prozent weniger Volatilität. Das aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 18,6 zeugt ebenfalls von der Werthaltigkeit dieses Segments. Die Erfolgsformel: Familienunternehmen verfolgen eine langfristige, oftmals sehr innovative und auf organischem Wachstum basierende Geschäftsstrategie. Echte Unternehmerfamilien würden – anders als vielleicht so mancher angestellter Entscheidungsträger – nie eine Entscheidung treffen, welche die Firma im Bestand gefährdet.

Warum Schlagzeilen das Bild verfälschen
Wer nur auf die Schlagzeilen der Querelen so mancher Familienunternehmen blickt, unterliegt folglich einem Fehlschluss – die Werthaltigkeit bei deutschen Familienunternehmen ist in der Breite schlichtweg zu gut. Allerdings sollten Anleger nach dem Blick auf die reinen Zahlen auch qualitative Kriterien anlegen. So kann eine ungeklärte Nachfolgeregelung tatsächlich ein Ausschlusskriterium sein – selbst wenn alle Daten eindeutig für ein Investment sprechen.

Das gilt auch für Fragen wie: Ist die nächste Generation tatsächlich auf die Übernahme von Verantwortung vorbereitet? Sind die Kompetenzen klar abgegrenzt? Werden familieninterne Fragestellungen strukturiert angegangen oder "nur" laufen gelassen? Bei den oben genannten Fällen muss man wohl mit "Nein" antworten.

Wer Value sucht, findet Familienunternehmen
In einem Börsenumfeld mit unklarem Trend und hoher Volatilität sind eignerdominierte respektive Familienunternehmen eine sinnvolle Ergänzung fürs Depot. In Europa lässt sich mittels Stockpicking hier viel Qualität finden. Auch kann davon ausgegangen werden, dass sich Familienunternehmen in einem schwächeren Konjunkturumfeld aufgrund ihrer guten Verfassung auch künftig bewähren werden.

Aktuelle Schlagzeilen sind deswegen zwar spektakulär, aber werfen auch ein ziemlich falsches Licht. Die langfristige, konservative Geschäftsausrichtung spricht ganz klar für dieses Segment. Familienunternehmen denken in Generationen, nicht in Quartalen. Deswegen brauchen Anleger – wie üblich beim Value-Investing – einen längeren Atem und die nötige Ruhe. Aber in der liegt bekanntlich die Kraft.