Um beurteilen zu können, wie attraktiv eine Anleihe ist, müssen Anleger wissen, an welchem Punkt des Kreditzyklus sich das dahinterstehende Unternehmen befindet, sagt Tom Ross, Portfoliomanager beim Fondsanbieter Henderson Global Investors (GI). "Viele Unternehmen neigen in wirtschaftlichen Aufschwungphasen zu übertriebenem Ehrgeiz. Das führt nicht selten dann zu überdimensionalen Kreditaufnahmen zur Finanzierung weiteren Wachstums oder zur schnellen Belohnung der Aktionäre, bevor die Wirtschaft wieder den Rückwärtsgang einlegt."

Ross kritisiert nicht nur Unternehmen, sondern auch Kapitalgeber. Bei diesen mache sich nach einer langen Phase mit wenigen Zahlungsausfällen oft eine gewisse Unbekümmertheit breit. "Auf der Suche nach attraktiver Rendite sind Anleger nur allzu leicht bereit, auch solchen Emittenten ihr Geld zu geben, die die Bedingungen ihrer Anleihen zum Nachteil ihrer Gläubiger deutlich gelockert haben. Die weniger strikten Kreditstandards rächen sich spätestens dann, wenn der Abschwung kommt", sagt er.

Kreditfinanzierte Akquisitionen nehmen zu
Derzeit dient der Löwenanteil der Erlöse aus Hochzinsanleihen nach wie vor der Refinanzierung. "Das ist beruhigend, nutzen doch die meisten Unternehmen die niedrigen Zinsen, um teurere Alt-Kredite abzulösen", sagt der Henderson-Experte. Firmen nehmen allerdings vermehrt neue Kredite auf, um künftige Akquisitionen zu finanzieren. "Das ist typisch für spätzyklische Phasen. Aber in einer Welt mit vergleichsweise magerem Wachstum kann es durchaus auch strukturelle Gründe für eine Akquisition geben."

Zurzeit befindet sich der europäische Hochzinsmarkt in einem weniger weit fortgeschrittenen Stadium des Kreditzyklus als sein US-Pendant, so Ross. "Diesseits des Atlantiks sind viele Unternehmen nach wie vor mit ihrer Refinanzierung und damit beschäftigt, ihre Bilanzen zu stärken. Darin spiegelt sich vor allem die langsamere wirtschaftliche Erholung in der Region verglichen mit Amerika wider, wo ein für spätzylische Phasen typisches Verhalten vorherrscht. Nach unserer Erfahrung zahlt es sich in dieser Phase des Kreditzyklus aus, den Emittenten von Unternehmensanleihen ganz genau auf den Zahn zu fühlen." (fp)