Die Folgen der Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) werden sich erst auf lange Sicht zeigen, sagt Klaus Bauknecht, Kapitalmarktexperte der IKB. Die Notenbank scheine allerdings vor allem auf die aktuelle konjunkturelle Lage und die Inflation zu reagieren. Das berge die Gefahr, dass die EZB prozyklisch agiert und so die Marktschwankungen erhöht. "Nicht nur die Kreditvergabe, sondern auch viele weitere Indikatoren lassen eine konjunkturelle Erholung in der Euro-Zone erwarten", so Bauknecht. Er geht davon aus, dass sich die Inflationsrate und das Kreditwachstum in den kommenden zwölf Monaten positiv entwickeln werden. "Gemäß aktueller Prognosen sollte dann auch die Realwirtschaft deutliches Wirtschaftswachstum zeigen." Die EZB rechnet in ihren jüngsten Prognosen mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 1,5 Prozent im laufenden Jahr.

Insbesondere die Euro-Abwertung als Folge des Aufkaufprogramms dürfte diese Entwicklung stützen, schätzt der IKB-Experte. "Daher ist die Frage angebracht, ob die EZB ihren Ankauf von Anleihen früher beenden beziehungsweise die Zinsen womöglich früher anheben sollte, als allgemein erwartet." Die Notenbank habe immer mit steigender Kreditvergabe ihren Leitzins angehoben. Eine ähnliche Situation sei in zwölf bis 18 Monaten nicht auszuschließen. Entsprechend habe sich das Risiko von langfristig niedrigen Zinsen dank des Aufkaufprogramms reduziert. Mehrere Gründe sprächen allerdings für ein zögerliches Handeln der EZB.

Bloß nicht den Markt erschrecken
Grundsätzlich haben sich Notenbanken in den letzten Jahren bei ihrer Geldpolitik eher reaktiv verhalten. "Dies muss nicht unbedingt damit zu tun haben, dass eine höhere Inflationsrate zunehmend toleriert wird", sagt Bauknecht. "Es liegt eher daran, dass sich Notenbanken bei steigender mittelfristiger Inflation keinem Handlungsdruck ausgesetzt sehen." Zudem lägen die Risiken seit der Finanzkrise überwiegend in der Entwicklung der Realwirtschaft und weniger bei der Inflation. Der Fokus auf aktuelle Daten sei nachvollziehbar, berge aber die Gefahr von prozyklischem Verhalten. Die Prognosen von eskalierender Inflation haben sich bis dato nicht bestätigt. "Letztlich ist es auch die Sorge der Notenbanken, die von ihr selbst induzierte Blasenbildung auf den Finanzmärkten nicht einbrechen zu lassen", so der Marktexperte. Die Lösung für die Notenbanken liege darin, nichts Unerwartetes zu tun.

Die Eurozone scheine sich allmählich zu erholen. Eine unerwartete geldpolitische Wende mit steigenden Zinsen bereits 2016 sei aber von der EZB nicht zu erwarten. Denn auch wenn die Inflationsrate im Verlauf dieses und des kommenden Jahres steigt, dürfte der Preisdruck moderat ausfallen, und eine etwas höhere Inflationsrate sollte aus konjunkturellen Gründen toleriert werden. "Unerwartet steigende Zinsen würden hingegen die Renditen hochschnellen lassen, was auch die Schuldentragfähigkeit mancher Staaten belasten könnte und den Konsolidierungsdruck erneut erhöhen würde", so Bauknecht. Zudem müsse sich die Konjunktur zuerst soweit entwickeln, dass die Eurozone nah am oder über ihrem Potenzialwachstum verweilt, bevor sich die EZB ernsthafte Sorgen über steigende Teuerungsraten machen müsse. Alle aktuellen Prognosen deuteten darauf hin, dass dies frühestens 2017 der Fall sein werde. (fp)