Die Corona-Pandemie setzt zunehmend nun auch die Immobilienbranche unter Druck. Einige Akteure trifft es härter als andere, urteilt Philipp Ellebracht, Leiter der kontinentaleuropäischen Immobiliensparte bei Schroder Real Estate. "Besonders für Firmen mit wackelnden Geschäftsmodellen und solche, die vorher schon finanzielle Probleme hatten, ist die Situation eine Art Brandbeschleuniger", warnt er. Ellebracht ist sich sicher: "Für einige Unternehmen wird die Coronakrise das Aus bedeuten."

Unter normalen Umständen seien Mieteinnahmen stabil und vorhersehbar – "das macht ihren Reiz für Investoren und Kreditgeber aus", erklärt Ellebracht. Selbst in der globalen Finanzkrise seien die Mieteinnahmen weniger stark gesunken als die Kaufpreise. "Nun befinden wir uns jedoch in einer Sondersituation, denn die Regierungen haben das öffentliche Leben sowie große Teile der Produktion stillgelegt", sagt der Experte.

Handel im Wandel
Als klaren Verlierer hat der Immobilienfachmann den Einzelhandel ausgemacht. Immer mehr Verbraucher gehen jetzt bequem im Internet shoppen statt mit Schutzmaske im Laden. "Eine Konsolidierungswelle dürfte über die Branche hinwegrollen, und die großen Akteure auf dem Markt werden die Chance nutzen, um sich größere Marktanteile zu sichern", prophezeit Ellebracht. Der Online-Handel wird durch die Pandemie wohl nachhaltig an Bedeutung gewinnen – das wird die Sterblichkeitsrate kleiner Geschäfte weiter in die Höhe treiben. Läden und Restaurants, die eine benutzerfreundliche Web-Präsenz besäßen und deren Waren und Gerichte online bestellt und geliefert werden können, seien klar im Vorteil. "Wer sich jetzt nicht für die Digitalisierung fit gemacht hat, der verhält sich grob fahrlässig."

Der Logistiksektor wiederum, dem die Unterbrechung zahlreicher Lieferketten anfangs zu schaffen machte, dürfte vom Trend zum Online-Shopping schlussendlich sogar profitieren.

Coworking-Anbieter haben Probleme
Auf dem Büromarkt sieht der Schroders-Experte ein gemischtes Bild. Einerseits drohen Mietausfälle, vor allem bei Unternehmen aus den besonders belasteten Sektoren Verkehr, Unterhaltung und Bildung. "Bei Mietern aus Technologie, Pharma und Forschung oder Onlinehandel sollten sich Investoren dagegen weniger sorgen", so Ellebracht. "Diese dürften sich als widerstandsfähig erweisen oder gar wachsen." Der Trend zur Heimarbeit wird die Nachfrage nach Büroräumen mittelfristig kaum belasten, schätzt der Immobilienspezialist. Die neuen Hygiene- und Abstandsregeln könnten nämlich dazu führen, dass Unternehmen einen größeren Bedarf an Fläche haben. 

Verluste sieht Ellebracht dagegen bei Coworking-Spezialisten wie WeWork heraufziehen. Deren Wachstum hatte sich bereits vor der Krise abgeschwächt. "Die soziale Distanzierung könnte für einige Anbieter zum Sargnagel werden", prognostiziert er. Kann weniger Fläche genutzt werden, steigen die Kosten. "Wir erwarten, dass der Markt schrumpft und einige Anbieter kurzfristig verschwinden werden."

Büroimmobilien vor der Neubewertung
Coworking-Modelle seien ohnehin teuer, da die Betreiber vor allem in zentralen Lagen hohe Mieten zahlen müssten und meist sogar die örtliche Spitzenmiete stellen. "Da die Bonität der Mieter in vielen Fällen jedoch schwach ist, bleibt es spannend zu beobachten, zu welchen Mietpreisen wir eine Nachvermietung verzeichnen werden."

Eine erhöhte Anzahl von Ausfällen könnte dazu führen, dass die Bonität der Büronutzer in Zukunft grundsätzlich eine wichtigere Rolle annimmt, als dies jetzt der Fall ist. "Dies könnte insbesondere bei der Bepreisung von Büroimmobilien eine zentrale Rolle spielen, da Bonitätsrisiken und Mietausfallwahrscheinlichkeiten differenzierter betrachtet werden", schlussfolgert Ellebracht.​(fp/ps)