Das Lieblingsbarometer von Anleger-Legende Warren Buffett stellt die Marktkapitalisierung des US-Aktienmarktes der US-Wirtschaftsleistung gegenüber. Anfang Januar erreichte der Indikator den höchsten Stand seit 13 Jahren, ein Zeichen dafür, dass amerikanische Aktien massiv überbewertet sind. Nach den letzten Höchstständen des "Buffett-Indikators" folgten das Platzen der Dotcom-Blase kurz nach der Jahrtausendwende, die US-Subprime-Krise in den Jahren 2006 und 2007 sowie die globale Finanzkrise im Jahr 2008. Droht jetzt also ein neuer Crash?

Invesco-Chefökonom John Greenwood bezweifelt, dass der "Buffett-Indikator" tatsächlich für die Beurteilung taugt, ob ein Aktienmarkt im Vergleich zum historischen Durchschnitt über- oder unterbewertet ist. Er bescheinigt dem Barometer mehrere eklatante Mängel: Erstens handele es sich bei vielen in den USA notierten Firmen um weltweit tätige Konzerne. "Wer die Marktkapitalisierung von US-Aktien dem nominalen Bruttoinlandsprodukt der USA gegenüberstellt, vergleicht also Äpfel mit Birnen", sagt Greenwood. Zweitens sei es nicht sinnvoll, für diesen Vergleich nur das Eigenkapital der Unternehmen heranzuziehen und Anleihen und Kredite außen vor zu lassen. Denn angesichts der Niedrigzinsen investieren Anleger jetzt nun einmal lieber in Aktien als in Anleihen.

Volkseinkommen taugt nicht zur Aktienmarkt-Bewertung
Sinnvoller wäre es, den Gesamtwert aller Vermögenswerte – und nicht nur den Marktwert von Aktien – mit dem nominalen BIP zu vergleichen, sagt der Invesco-Ökonom. Um daraus etwas ableiten zu können, müssen Anleger zunächst zwei Dinge verstehen: Erstens neigen Haushalte und Unternehmen dazu, im Verhältnis zum nominalen Volkseinkommen mehr Vermögenswerte zu halten, wenn die Wirtschaft wächst. Dadurch zeigt die Kurve, die den Gesamtwert der Vermögenswerte im Verhältnis zum nominalen Volkseinkommen zeigt, nach oben. Zweitens gibt es einen Zusammenhang zwischen der breiten Geldmenge und dem Gesamtwert aller Vermögenswerte. Anleger neigen nämlich dazu, den Anteil der breiten Geldmenge in ihren Portfolios relativ stabil zu halten.

Laut Greenwood folgt daraus, dass der Gesamtwert der Vermögenswerte gegenüber dem BIP mittel- bis langfristig steigt. "In allen großen Volkswirtschaften wächst die Geldmenge im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung – das Verhältnis der Geldmenge zum Gesamtwert der Vermögenswerte bleibt aber relativ stabil", fasst der Volkswirt zusammen. Das Volkseinkommen tauge in der Folge nicht dazu, den Aktienmarkt zu bewerten. "Daher ist der 'Buffett-Indikator' ein ungenaues Bewertungsinstrument, das fälschlicherweise impliziert, dass die Vermögenspreise auf einen mittleren Wert gegenüber dem nominalen BIP zurückkehren. Tatsächlich ist aber deutlich zu sehen, dass sie mit der Zeit steigen", sagt Greenwood. (fp)