Jens Ehrhardt, Gründer und Vorstandschef des Vermögensverwalters DJE Kapital, betrachtet die zunehmende Popularität und den aktuellen Niedergang von Kryptowährungen äußert skeptisch. "Das sind eigentlich völlig wertlose Anlagen ohne den geringsten inneren Wert", sagt Ehrhardt im Interview mit dem "Handelsblatt". "Wenn jeden Monat über 1.000 'Währungen' dieser Art neu dazukommen, fragt man sich, wie einige Leute behaupten können, dass diese Anlage wegen fehlender Vermehrbarkeit einen Inflationsschutz bieten würde." Bei inzwischen mehr als 16.000 Kryptowährungen sei schon diese Zahl "Inflation", argumentiert Ehrhardt.

Auch zu anderen Themen findet der 79-Jährige deutliche Worte, unter anderem zur Zinswende in den USA, die der dortige Notenbankchef Jerome Powell im Januar angekündigt hatte (FONDS professionell ONLINE berichtete). Dabei handele es sich um einen "abrupten Kurswechsel um 180 Grad", so Ehrhardt. "Als Segler ist mir klar: Ich muss mein Schiff vorsichtig steuern, sonst falle ich von Bord." Sollte es tatsächlich zu einem Entzug von Liquidität und mehreren Zinserhöhungen kommen, "wäre das wahrscheinlich ein Fehler", meint der Vermögensverwalter.

Erstes Halbjahr pfui, zweites Halbjahr hui?
Ehrhardt erinnert daran, dass die Federal Reserve eine solche Wende schon einmal versucht hatte. "Deshalb haben die Märkte Ende 2018 scharf nach unten gedreht", zitiert ihn das "Handelsblatt". "Diese Phase sollte der Notenbank eigentlich gezeigt haben, dass 'Quantitative Tightening' ein sehr gefährliches Instrument ist." Das erste Halbjahr sehe er für die Börsen nicht so positiv: "Ich erwarte einen Stresstest für Aktien."

Mit Blick auf den Rest des Jahres ist Ehrhardt optimistischer, schon weil 2022 auch ein Wahljahr in den USA sei. "Da will man der Wirtschaft sicher nicht schaden", sagt er. "Daher dürfte die Notenbank im zweiten Halbjahr den Fuß von der Bremse nehmen. Dann könnte das Gesamtjahr für Aktien doch noch im Plus enden."

Öl und Gas sind wieder interessant – trotz der ESG-Bedenken
Dem Fondsmanager zufolge hat die Umorientierung der Anleger weg von Wachstumstiteln (Growth) hin zu Substanzwerten (Value) gerade erst begonnen. "Noch nie dürften preiswerte Aktien mit vernünftiger analytischer Bewertung und guten Dividenden so stark gesucht gewesen und so schnell gestiegen sein wie in den ersten zwei Wochen dieses Jahres", sagt Ehrhardt. "Diese Umorientierung der Anleger sollte erst der Anfang sein." Er baut vor allem auf die "langweiligen, defensiven Aktien". "Wenn Sie hier eine Dividendenrendite von nur vier Prozent kassieren, dann brauchen Sie fast keine Kurssteigerungen mehr", so seine Argumentation.

Ehrhardt denkt beispielsweise an den Öl- und Gassektor – "trotz der Nachhaltigkeitsbedenken", wie er im Interview einräumt. "Die Gesellschaften investieren kaum noch. Hinzu kommt die grüne Politik, nach der private Ölproduktionsfirmen von den Banken keine Kredite bekommen sollen. Das ist gut aus Anlegersicht, weil wenig Öl gefördert wird." Die Aktien seien ohnehin recht billig und hätten hohe Dividendenrenditen. "Interessant sind sowohl die amerikanischen als auch die europäischen Branchenvertreter", so Ehrhardt. (bm)