Klaus Kaldemorgen bedarf keiner Vorstellung mehr. Der Starmanager, der seit 1982 in den Diensten der DWS steht und zwischenzeitlich auch einer ihrer Geschäftsführer war, hat im Laufe seiner Karriere Flaggschifffonds wie den DWS Vermögensbildungsfonds I und den DWS Akkumula verantwortet. Seit er beide Portfolios 2013 an Andre Köttner abgab, widmet er sich nur noch seinem rund 7,2 Milliarden Euro schweren Deutsche Konzept Kaldemorgen. FONDS professionell traf den Grandseigneur der deutschen Fondszunft in Köln zum Gespräch.


Herr Kaldemorgen, 2017 haben sie mit Ihrem Fonds nur ein kleines Plus erzielt, genauer gesagt 0,9 Prozent in der Retail-Tranche und 1,5 Prozent in der für institutionelle Anleger gedachten Anteilsklasse. Haben Sie sich über das Ergebnis geärgert?

Klaus Kaldemorgen: Es entspricht tatsächlich nicht meinen Ansprüchen, obwohl die Performance im Vergleich zu anderen defensiven Mischfonds durchaus in Ordnung war. 

Woran lag es?

Kaldemorgen: Ein Grund für das Ergebnis war, dass ich sehr defensiv mit einer geringen Aktienquote in das Jahr gegangen bin. Ich hatte im Schnitt eine Netto-Aktienquote von knapp 30 Prozent, die nicht mehr hergegeben hat. Hinzu kam, dass die Volatilität im vergangenen Jahr auf ein Rekordtief gefallen ist. Daher gab es keine Chance, die Aktienposition auch einmal hochzufahren. Das ist wie auf einer gut befahrenen Autobahn: Sie kommen nicht von der rechten auf die linke Spur, um zu überholen. Dann hat der US-Dollar auch noch etwas Performance gekostet.

Schauen wir nach vorne: Wo sehen Sie aktuell Chancen?

Kaldemorgen: Dieses Jahr sind die Volatilitäten höher. Nach dem starken Start im Januar hatten wir ja die Korrektur im Februar. Das gab einem schon die Möglichkeit, aus einer defensiveren Aktienposition die Allokation wieder hochzufahren.

Wo sehen Sie Risiken?

Kaldemorgen: Ganz klar in den US-Zinserhöhungen. Wir rechnen mit zwei weiteren in diesem Jahr, sodass die Renditen der zehnjährigen US-Treasuries auf 3,10 oder 3,20 Prozent steigen dürften. Das ist zwar von den aktuellen 2,9 Prozent kein großer Sprung, dennoch wird es eine Belastung für den US-Aktienmarkt darstellen, dessen Bewertungen schon sehr hoch sind. Zinssteigerungen üben immer Druck auf die Bewertungen aus. Daran ändern auch im zweistelligen Bereich steigende Unternehmensgewinne nichts.

Wie schätzen Sie die Situation in Europa ein? 

Kaldemorgen: Wir werden in Europa in diesem Jahr keine steigenden Zinsen sehen. Deshalb glaube ich, dass der europäische Aktienmarkt noch Luft nach oben hat. Europäische Anleger haben aufgrund des Niedrigzinsniveaus nicht die Alternative des Rentenmarktes wie die US-amerikanischen Investoren: Ihnen bleiben nur Aktien, wenn sie Erträge erzielen wollen. Zudem können Investoren mit europäischen Aktien zum Teil ordentliche Dividendenrenditen erzielen.  Hier bieten sich Chancen, zumal die europäischen Unternehmen auch günstiger bewertet sind als die US-amerikanischen. Daher bin ich stärker in Europa als in den USA investiert.

Gibt es an der Wall Street denn gar keine Chancen mehr? 

Kaldemorgen: Doch. Ich habe für zwei US-Branchen Präferenzen, die in Europa weniger interessant sind. Das sind zum einen Banken, die einfach von den höheren Zinsen und einem deutlich höheren Kreditwachstum profitieren. Und Technologiefirmen, die ich in Europa einfach nicht finde. Abgesehen davon meine ich, dass sich die USA konjunkturell in einer Boom-Phase befinden, weshalb man genau beobachten muss, wie es weiter geht. Vielleicht verharren wir noch zwei Quartale in dieser Phase. Ich vermute aber, dass wir dann in eine Abschwungphase eintreten.

Freuen Sie sich angesichts der schwierigen Situation an den Finanzmärkten darüber, dass Sie einen flexiblen investierenden Total-Return-Fonds ohne Indexvorgabe managen können?

Kaldemorgen: Es stimmt: Der Fonds hat keine Benchmark. Mein Ziel ist es, möglichst geringe Schwankungen bei einem positiven, risiko-optimierten Return zu erzielen. Das ist Fluch und Segen zugleich. 

Wie meinen Sie das?

Kaldemorgen: Manager, die eine Benchmark wie einen Aktienindex haben, müssen beispielsweise einfach nur die besten Aktien heraussuchen und sich nicht darum kümmern, wie viel US-Dollar sie im Fonds haben, weil das durch die Aktienauswahl vorgegeben ist. Das kann ich nicht. Ich habe derzeit etwa 20 Prozent US-Dollar im Portfolio, was zu viel ist, wenn er fällt und zu wenig, wenn er steigt. 

Schwellenländer sind im Fonds eher unterrepräsentiert. Warum? Die Märkte liefen die vergangenen Jahre doch sehr gut.

Kaldemorgen: Wir sind als DWS durchaus positiv gestimmt für Schwellenländer. Ich habe auch einige Werte im Fonds, im wesentlichen Aktien aus Taiwan. Ich bin aber persönlich skeptisch, was China angeht. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen ist die Börse dort schon sehr gut gelaufen, auch dieses Jahr sieht es ja gut aus. Was mich auch irritiert, ist die sehr stark gewachsene Verschuldung der Unternehmen, die schon 166 Prozent des Bruttosozialproduktes beträgt.

Andere sagen aber, dass dies letztlich Staatsschulden sind, da viele Betriebe dem Staat gehören.

Kaldemorgen: Das ist richtig, es gibt aber einen Aspekt, der oft übersehen wird: Chinesische Firmen sind häufig stark in Dollar verschuldet. Wenn nun in den USA die Zinsen steigen und gleichzeitig auch der Dollar wieder fester wird, dann verschlechtern sich ihre Finanzierungsbedingungen. Denken Sie mal zurück: Anfang 2016 kippte der chinesische Markt vom Stuhl, innerhalb weniger Wochen verlor er 25 Prozent. Das zeigt für mich eindeutig: China hat nicht alles unter Kontrolle. Es gibt noch ein Argument, das meines Erachtens gegen Investitionen in China spricht und das ist die Struktur der chinesischen Börse. Der Großteil des Index besteht aus Finanzwerten. Dann kommt ein relativ großer Block an Immobilienwerten und Ölaktien. Alle drei Bereiche assoziiere ich nicht mit dem starken Wachstum in China, sondern eher mit finanziellen Risiken. 

Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, Bitcoins oder andere Kryptowährungen zu kaufen? Kollegen wie Hendrik Leber von Acatis haben damit enorme Performances erzielt.

Kaldemorgen: Nein, Kryptowährungen kann man aus mehreren Erwägungen heraus als seriöser Investor nicht berücksichtigen. Ich wüsste zum einen nicht, wie man den Handel  technisch umsetzen sollte. Zum anderen sind die Schwankungen schlicht viel zu groß. Im Moment ähnelt es mehr einer Lotterie als einem Investment. 

In Ihren Fonds halten Sie aktuell rund 21 Prozent Kasse. Warum?

Kaldemorgen: Weil das ein sehr guter und liquider Weg ist, um auf Änderungen am Aktienmarkt zu reagieren. Allerdings hoffe ich, dass sich die Frage nach der prall gefüllten Kasse bald wieder erübrigt hat. 

Wir danken für das Gespräch. (jb)