"Die ungebremste Euphorie in Sachen künstliche Intelligenz, die in den vergangenen neun Monaten fast ausschließlich für den Anstieg der Indizes in den USA verantwortlich war, hat einen ersten Dämpfer bekommen", sagt Björn Jesch, Chefanlagestratege der DWS. "Anleger beginnen die alte, aber nicht überkommene Tugend der Diversifikation wiederzuentdecken." Trotz aller positiven Aussichten, die das Thema KI biete, sei dies überfällig gewesen.

Ob die Rotation hin zu Nebenwerten, die sich in der zweiten Julihälfte abgezeichnet habe, anhalte, bleibe abzuwarten. Der US-Nebenwerteindex Russel 2000 habe wahrscheinlich auch von Spekulationen profitiert, dass im Falle eines Sieges von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen im November die Unternehmenssteuern gesenkt werden könnten. Davon würden Nebenwerte, die einen deutlich höheren Umsatzanteil im Inland haben als die Großunternehmen, überproportional profitieren, erläutert Jesch. Dies sei jedoch "eine Rechnung mit vielen Fragezeichen", wie auch die Marktturbulenzen Anfang August gezeigt hätten. Denn niedrigere Steuern hätten wohl eine höhere Staatsverschuldung zur Folge. Ein Anstieg der Anleiherenditen könnte wiederum die Bewertung der Unternehmen unter Druck setzen.

"Gesundheitsaktien sollten profitieren"
Mit Blick auf die Branchen hält Jesch den Gesundheitssektor momentan für aussichtsreich. "Gesundheitsaktien sollten von einer anhaltenden Rotation in Richtung Wachstum und Innovation profitieren, und zwar jenseits von KI", sagt Jesch. Ein Sektoraufschlag auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis von zehn Prozent im Vergleich zu globalen Aktien liege im historischen Durchschnitt. Speziell US-Biotech-Unternehmen sollten von fallenden Zinsen profitieren, da sie ihre Finanzierungsbedingungen günstiger machten, glaubt der Anlagestratege.

Bei europäischen Unternehmensanleihen sei das Bild gemischt. "Anleihen guter Bonität haben wir nach dem zuletzt gesehenen Rücksetzer hochgestuft", so Jesch. Als weniger aussichtsreich erachtet er europäische Hochzinsanleihen, deren Zinsaufschläge gegenüber Staatsanleihen inzwischen wieder sehr eng seien und die fundamentalen und politischen Risiken nicht ausreichend berücksichtigten: "Das Risiko-Ertrags-Verhältnis erscheint uns momentan als nicht attraktiv." Weitere Einschätzungen von Jesch und seinen Kollegen finden Sie in der Bilderstrecke oben. (fp)