Viele können es sicherlich nicht mehr hören: Ukraine-Krieg, Energiekrise, Corona-Pandemie, Inflation. All diese Faktoren schwächen das Wirtschaftswachstum und drücken die Kurse an den Finanzmärkten. Das Statistische Bundesamt hat das Wirtschaftswachstum für das erste Quartal zwar revidiert und ein Plus von 0,8 Prozent statt 0,2 Prozent vermeldet; im zweiten Quartal stagnierte die deutsche Wirtschaft jedoch nach einer ersten Schätzung der Behörde. Und der Freiburger Wirtschaftsprofessor Lars Feld warnt in einem Interview mit dem "Handelsblatt", dass es nun erst richtig hart wird.

"Die konjunkturellen Rückschläge im ersten Halbjahr 2022 waren nur der Anfang. Die Probleme haben sich nun erst richtig aufgebaut und weiten sich aus", so der persönliche Berater von Finanzminister Christian Lindner gegenüber der Wirtschaftszeitung. "Im zweiten Halbjahr wird die Energiekrise voll durchschlagen. Jetzt freuen wir uns vielleicht über ein Quartal mit 0,8 Prozent im Plus. Die Wahrscheinlichkeit ist aber hoch, dass wir in diesem Jahr noch zwei Quartale mit einem klaren Minus erleben werden. Das wäre dann eine technische Rezession."

Mehrere Krisen auf einmal
Nach Ansicht des ehemaligen Wirtschaftsweisen ist die aktuelle Lage sogar problematischer als bei der Finanzkrise 2008 und dem Ausbruch der Corona-Krise vor zwei Jahren: Damals habe es jeweils nur einen extremen Schock gegeben, auf den man gezielt habe reagieren können. Nun gebe es gleich mehrere: "Aus dem Ukraine-Krieg ist die Energiekrise entstanden. Diese trifft auf die Folgen der Corona-Pandemie. Das treibt die Preise weiter, verstärkt bei Gas und Öl. Preiserhöhungen sind nun in der ganzen Breite der Güter und Dienstleistungen zu sehen. Die hohen Preise sorgen dafür, dass Unternehmen ihre Produktion teilweise herunterfahren und abwarten. Das wiederum verstärkt den Auftragsstau, sodass die pandemiebedingten Lieferkettenprobleme durch den Krieg noch verstärkt werden."

Zur Überwindung der Krise rät Feld, dass Unternehmen so schnell wie möglich von Gas auf andere Energieträger umstellen sollten. "Die Substitution passiert jetzt nach und nach, aber es geht noch deutlich mehr. Wir müssen alles an Energie nehmen, was wir bekommen können." Für den Schutz der Verbraucher vor einem zu großen Schock bei den Energiepreisen plädiert er für weitere Maßnahmen als nur die ab Oktober geplante Gasumlage. Dazu zählt er eine  Reform der Einkommenssteuer, um speziell Verbraucher mit kleineren und mittleren Einkommen zu entlasten. Für einkommensschwache Haushalte müsse noch mehr getan werden: "An Transfers für die Empfänger von Grundsicherung, Arbeitslosengeld II und Wohngeld führt kein Weg vorbei", so Feld in dem Interview. (jb)