"Es passiert nicht oft, dass sich beinahe in allen Weltregionen und Ländern die Konjunktur-Frühindikatoren in die gleiche Richtung entwickeln", meinte Rolf Schäffer, Leiter der Gruppe Strategy bei der LBBW, anlässlich seines Marktausblicks am 6. Kapitalmarktforum der LBBW in Wien. Einzig Brasiliens Wirtschaft liegt von den bedeutenden Ländern unterhalb der Expansionsschwelle, weist aber einen positiven Trend auf.

Die LBBW geht daher für 2017 von einem weiterhin stabilen Wirtschaftswachstum (Deutschland: 1,5%, Eurozone: 1,3%, USA: 2,5%, Welt: 3,3%) aus, wobei Schäffer anklingen ließ, dass die LBBW ihre BIP-Prognosen in den kommenden Tagen und Wochen nach oben setzen könnte. Schäffer räumte aber ein, dass der Aufschwung aus historischer Sicht schon sehr lange andauert und Investoren sich auf einen Wachstumsrückgang spätestens 2019 einstellen sollten.

Als zumindest temporäre "Spaßbremse" im laufenden Bullenmarkt könnte die Politik fungieren. Immerhin drohen einige politische Risiken, so die Austrittsverhandlungen zwischen Großbritannien und der EU oder überraschende Dekrete von US-Präsident Donald Trump. Betreffend Frankreich gehe laut Schäffer jedoch derzeit kein politisches Risiko aus, da die französische Wahlordnung eine Regierung von Parteien abseits des Mainstreams nur äußerst schwer ermöglicht. Auch in den USA sorge ein effizienter "Checks and Balances"-Mechanismus dafür, dass Trump wohl als "Lahme Ente" in die Geschichte eingehen könnte.

Genau das könnte aber die US-Aktienmärkte unter Druck bringen, da viele Investoren auf den Erfolg von Trumps Reformplänen spekulieren und im Falle einer Nicht-Umsetzung derselben die eingepreiste Fantasie in niedrigere Kurse münden könnte. "Die Märkte könnten enttäuscht reagieren", warnte Schäffer und prognostizierte des Weitern: "Die Stimmungsindikatoren werden sich in den kommenden Wochen nach unten bewegen." Für Abgabedruck könnten auch immer höhere Zinsen in den USA sorgen. Und die EZB könnte laut Einschätzung Schäffers anfangen, über ein "Tapering“, also weniger Anleihekäufe, nachzudenken. Eine Leitzinserhöhung im Euroraum stehe aber bis 2019 jedenfalls nicht an.

Italien als Sargnagel der Eurozone?
Sorgen bereiten Schäffer die munter weiter wachsenden öffentlichen Schuldenberge fast aller Euroländer. Vor allem Italien sollten Investoren genau beobachten, denn aufgrund eines marginalen Wirtschaftswachstums kommt der Stiefelstaat derzeit nicht aus dem Schuldensumpf heraus.

So rechnete Schäffer anhand einer "Schuldentragfähigkeitsformel“ dem Publikum vor, dass Italien aufgrund des derzeit niedrigen Wachstums und der zu niedrigen Inflation einen Primärüberschuss der öffentlichen Haushalte von mindestens drei Prozent benötige, damit die Schulden tragfähig seien. Problem: 2016 erwirtschaftete Italien nur einen Primärüberschuss von 1,6 Prozent, mit dem auch für 2017 gerechnet wird. Helfen könnten Italien aber höheres Wirtschaftswachstum und insbesondere höhere Inflation. Daher werde die EZB weiterhin eine expansive Geldpolitik verfolgen, um speziell Italien zu helfen.

Ein Austritt Italiens aus der Eurozone ist übrigens nicht möglich, ohne zumindest geltendes Recht zu brechen. "Ein geregelter Austritt aus dem Euroraum ist rechtlich nicht vorgesehen, auch ein bindendes Referendum über den Austritt aus dem Euroraum ist laut italienischer Verfassung nicht möglich“, betonte Schäffer. Selbst vor dem Hintergrund, dass Euro-skeptische Parteien wie die Fünfsternebewegung Zulauf haben, sei das italienische Volk in der Mehrheit für den Beibehalt der Gemeinschaftswährung. "Ein Triple-Default (Staat, Banken und viele Unternehmen) wäre die wahrscheinliche Konsequenz eines EWU-Austritts Italiens. Einen solchen 'Schritt in den Abgrund' trauen wir auch der Fünfsternebewegung nicht zu", prognostizierte Schäffer.

Aktien relativ teuer
Vor dem Hintergrund hoch bewerteter Renten müssen Investoren Aktien halten, um einigermaßen ihre Renditeziele zu erreichen. Da aber auch Dividendenpapiere bereits teuer sind, erwartet Schäffer auf Sicht von zwölf Monaten bei Aktien nur mehr ein Potenzial von maximal fünf Prozent, wobei Europa aussichtsreicher als die USA sei.

Aktieninvestoren sollten jedenfalls bereit sein, mit ihren Füßen rasch vom Gas- auf das Bremspedal zu steigen. Denn das Shiller-KGV für den US-Aktienmarkt war nur zweimal höher als derzeit: Vor dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise und vor dem Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000. "Die Aktienmärkte sind nicht mehr billig – wir sehen nur mehr begrenztes Potenzial", erklärte Schäffer. Die LBBW prognostiziert für Mitte 2018 einen Dax-Stand von 12.750 Indexpunkten. (aa)