Bundesfinanzminister Christian Lindner würde ein mögliches Eingreifen der Europäischen Zentralbank (EZB) rechtlich prüfen lassen, sollte der Ausgang der französischen Parlamentswahlen einen massiven Ausverkauf von Staatsanleihen des Landes auslösen. "Hoffen wir bitte alle darauf, dass die EZB nicht bemüht werden muss", sagte Lindner am Donnerstag (27.6.) bei einer Veranstaltung des Ifo-Instituts in München. "Das sagen wir aus Empathie gegenüber Frankreich, aber auch weil eine starke Intervention der EZB einige ökonomische und verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen würde."

Er verwies auf die Instrumente, die der Zentralbank im Rahmen ihres Transmissionsschutz-Instruments (TPI) zur Verfügung stehen, "die bislang nur als Pressemitteilung existiert hatten". Deren Einsatz würde dem Bundesfinanzminister nichts anderes übrig lassen, als zu prüfen, "ob das alles noch mit dem Vertragsrecht übereinstimmt – deswegen wünsche ich mir das nicht auch noch".

Anleger besorgt
Die überraschende Entscheidung von Präsident Emmanuel Macron vom 9. Juni, Neuwahlen auszurufen, verunsicherte die Anleiheinvestoren, die den höchsten Renditeaufschlag gegenüber Bundesanleihen seit der Krise im Euroraum vor mehr als zehn Jahren fordern. Der Renditeaufschlag stieg am Donnerstag wieder an und erreichte 82 Basispunkte.

Dies ist ein Zeichen dafür, dass die Anleger weiterhin über mögliche Turbulenzen durch die Wahl besorgt sind, die am Sonntag beginnt und eine Woche später endet. Ausgelöst wurden ihre Befürchtungen durch die Ausgabenpläne des rechten Rassemblement National von Marine Le Pen und ihrer Verbündeten, die in den Umfragen führen, und des Volksfront-Linksbündnisses, das auf Platz zwei liegt.

Regelmäßig vor Gericht
Die EZB schuf das TPI im Jahr 2022 – kurz bevor sie begann, die Zinsen zu erhöhen, da sie befürchtete, dass eine Straffung der Geldpolitik zu Marktturbulenzen führen würde. Ähnlich wie bei den Anleihekäufen, die ein Jahrzehnt zuvor auf dem Höhepunkt der europäischen Schuldenkrise angekündigt wurden, hielten sich die Währungshüter über die Ausgestaltung des Programms bedeckt, um rechtliche Probleme von vornherein zu vermeiden.

Zwar sind Anleihenkäufe mittlerweile ein fester Bestandteil des Instrumentariums der EZB, doch sie sind nach wie vor umstritten und bringen die Institution regelmäßig vor Gericht. Bislang haben sich die deutschen Verfassungsrichter auf die Seite der EZB gestellt und argumentiert, dass die Anleihekäufe legal seien. Allerdings haben sie auch strenge Beschränkungen und Bedingungen auferlegt. (Bloomberg/ert)