Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien scheinen in einer Sackgasse zu stecken. Das Vereinigte Königreich hat offenbar kein Interesse an größeren Zugeständnissen, kommentiert Edgar Walk, Chefvolkswirt von Metzler Asset Management. Die Brexit-Verfechter wollen das Land ohnehin am liebsten komplett unabhängig von den Regeln der EU machen. Großbritannien scheine sich nicht einmal an die Zusage halten zu wollen, dass die Grenze zu Irland offenbleibt, kritisiert Walk. "Es ist zu befürchten, dass die britische Regierung unter Boris Johnson den Brexit ähnlich schlecht managt wie die Corona-Pandemie", sagt er.

Es sieht immer mehr danach aus, als steuere das Vereinigte Königreich auf einen "harten Brexit" ohne Abkommen zu. "Im Januar 2021 droht also der britischen Wirtschaft ein neuer Negativschock", urteilt Walk. Johnson befindet sich in einer schlechten Verhandlungsposition: Ursprünglich hatte die EU großes Interesse an einem Freihandelsabkommen, weil ein "harter Brexit" die europäische Wirtschaft belasten würde. Fiskalische Hilfen auf EU-Ebene hätten mehrere Monate Anlaufzeit benötigt. Nun hat die Europäische Zentralbank (EZB) aber ihre Geldschleusen wegen der Corona-Pandemie weit geöffnet.

Hat Johnson zu hoch gepokert?
Die EU kann dank ihrer momentanen Krisen-Fiskalpolitik rasch auf einen möglichen Brexit-Schock reagieren, erklärt Walk. Damit fehlt Johnson ein wichtiges Druckmittel. Auch gegenüber ihrem zweiten Verhandlungspartner Washington ist die britische Regierung inzwischen im Nachteil, und zwar durch ihre eigene Schuld: Ein chaotischer "harter Brexit", der dieser Tage ein immer wahrscheinlicheres Szenario wird, könnte dazu führen, dass die Grenze zu Irland tatsächlich dichtgemacht wird. "Die US-Demokraten werden jedoch einem Freihandelsabkommen zwischen den USA und Großbritannien nur zustimmen, wenn die irische Grenze offen ist", sagt der Metzler-Ökonom. (fp)