Nach jahrelanger Abwesenheit kehrt die Teuerung nun auf leisen Sohlen zurück. Und sie wird uns erhalten bleiben, meint Peter E. Huber. In der aktuellen Ausgabe seines Kommentars, den wir nachfolgend veröffentlichen, erklärt der Starcapital-Gründer anschaulich, weshalb die Inflationsraten schneller steigen werden als die Zinsen. (ps)


Nach dem Schock über deutlich anziehende Inflationsraten in den letzten Monaten haben sich die Gemüter inzwischen wieder beruhigt. Im März waren die Wachstumsraten bei den Lebenshaltungskosten bereits wieder deutlich rückläufig. Überhaupt sei alles nur vorübergehenden Basiseffekten geschuldet und die Öl- und Rohstoffpreise befänden sich erneut im Abwärtstrend, so die gängige Meinung.

Die Zinsen befinden sich im Sinkflug, und die fünfjährigen Bundesanleihen haben mit einer Rendite von minus 0,5 Prozent fast wieder ihr historisches Renditetief erreicht. Ganz offensichtlich glauben nach 35 Jahren disinflationärer Tendenzen nur noch wenige an ein echtes Comeback der Inflation. Genau dies wird unserer Meinung nach aber  die größte Überraschung der kommenden Jahre sein.

Folgende neue Trends stützen diese These: Erstens hat ein neuer Rohstoffzyklus begonnen. Die großen Energie- und Minengesellschaften haben ihre Investitionen in den letzten Jahren drastisch gekürzt und die Erschließung neuer Vorkommen verschoben. Nun geht das Überangebot zurück, und die Rohstoffpreise beginnen zu steigen. Wie immer werden mit zeitlichem Abstand die Konsumentenpreise folgen.

Zweitens ist die globale Konjunkturentwicklung besser als ihr Ruf. Selbst in Problemländern wie Spanien oder Frankreich belebt sich die Wirtschaft. Weltweit erleben wir gerade Innovationsschübe bei alternativen Energien, E-Mobilität, dem autonomen Fahren, in der Gentechnologie, der Digitalisierung und vielen anderen relevanten Bereichen. Sie werden den Innovationsstau der letzten Jahre langsam auflösen. Wegen des sich abzeichnenden Facharbeitermangels beginnen die Löhne bereits stärker zu steigen.

Besonders gravierend ist die Entwicklung in China. Riesige Überkapazitäten im Rahmen der Globalisierung hatten dort die Produzentenpreise jahrelang fallen lassen. China exportierte also Deflation. Seit Anfang letzten Jahres sind die Produzentenpreise aber wieder von minus sechs auf fast plus acht Prozent geklettert. Künftig wird China also Inflation exportieren.

Die Produzentenpreise sind ein Vorläufer der Konsumentenpreise. Selbst in Europa liegen die Erzeugerpreise mit deutlich über 4 Prozent bereits auf einem 5-Jahres-Hoch (siehe Grafik). Angesichts der expansiven Geldpolitik ist das eine höchst brisante Ausgangslage. In den letzten Jahren haben die Notenbanken Geld im vierstelligen Milliardenbereich gedruckt. Dies hat sich nur deshalb nicht in den Konsumentenpreisen niedergeschlagen, weil weder die Konsumenten noch die Unternehmer mehr Kredite aufgenommen haben. Genau das dürfte sich nun aber ändern.

Was dann passiert, illustrieren wir gern am Beispiel einer Ketchup-Flasche. Die Notenbanken klopfen immer stärker auf den Boden. Erst passiert nichts. Irgendwann sehen wir die ersten Spritzer. Trotzdem wird die Flasche weiter geschüttelt, es wird noch mehr Geld gedruckt. Und irgendwann kommt dann unweigerlich der große Schwall. Es ist die totale Hybris der Notenbanken zu glauben, sie könnten die Inflation so steuern, dass sie bei zwei Prozent stehen bleibt. In drei bis vier Jahren werden wir in Europa über fünf Prozent Inflation haben, mindestens!

Die Europäische Zentralbank kommt dann in eine sehr missliche Lage. Sie hat die Banken und Versicherungen ja ermuntert, zur Staatsfinanzierung beizutragen und Staatsanleihen zu kaufen. Ließe Mario Draghi die Zinsen schnell steigen, riskierte er den Zusammenbruch der Finanzinstitute. Das geht natürlich nicht. Deshalb versucht er verzweifelt, den Leitzins bei null zu belassen und über den Ankauf von Anleihen die Zinsen tief zu halten. Trotzdem wird er einen sukzessiven Anstieg der Renditen auf Dauer nicht verhindern können.

Als Fazit bleibt festzuhalten: Die Inflationsraten werden in Europa viel schneller steigen als die Zinsen. Wir bekommen also tatsächlich die finanzielle Repression mit negativen Realzinsen, die auf längere Sicht zur schrittweisen Entschuldung der Staaten beitragen könnte. Wenn unsere Annahmen stimmen, ergeben sich hochinteressante Anlagechancen an den Rentenmärkten. Denn zum einen wären inflationsgeschützte Staatsanleihen völlig unterbewertet. Die zehnjährige inflationsgeschützte Bundesanleihe (Linker) enthält aktuell nur eine Inflationserwartung von 1,2 Prozent pro Jahr. Das ist ein Witz! Zum anderen kann man bei den normalen Staatsanleihen auf fallende Kurse setzen und so mit etwas Geduld viel Geld verdienen.

Doch was ist, wenn wir uns irren? Denn erstens kommt es oft anders und zweitens, als man denkt, wie Wilhelm Busch schon wusste. Statt des erwarteten Wirtschaftsaufschwungs könnte zum Beispiel eine neue Rezession vor der Tür stehen. Das ist gar nicht so ausgeschlossen, denn die globale Verschuldung (Staaten, Unternehmen, Private) hat ein bedenkliches Ausmaß erreicht und ist tendenziell wachstumshemmend. Dann würden vermutlich panikartig umfangreiche neue Fiskalprogramme aufgelegt, die Notenbanken zu ihrem letzten Mittel greifen und dies mit "Helikoptergeld“ finanzieren. Das von uns erwartete Szenario würde dann etwas später aber dafür umso heftiger eintreten.