Würde die Unabhängigkeit der Zentralbanken infrage gestellt, wäre dieses Szenario längst nicht so unheimlich, wie man meinen könnte. Dieser Ansicht ist Joachim Fels, Chefökonom beim Fondsanbieter Pimco.

Bislang findet die Zentralbankunabhängigkeit weitgehende Akzeptanz und wird als notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Geldpolitik betrachtet. "Unabhängigkeit von der Regierung und vom politischen Geschehen ist offensichtlich hilfreich, wenn der Hauptfeind eine hohe Inflation ist, da sie die Glaubwürdigkeit einer Zentralbank stärkt und den Währungshütern dabei hilft, ohne politische Einmischung harte Maßnahmen zu ergreifen", sagt Fels. Seit dem Jahr 2008 sei der "Hauptfeind" der Welt allerdings nicht die Inflation, sondern die ausufernde Deflation, ebenso wie Schuldenüberhänge und Finanzkrisen.

Dabei seien unabhängige Zentralbanken keine Selbstverständlichkeit. Fels erinnert daran, dass die Notenbanken der Industrienationen ihre Unabhängigkeit bei der Bestimmung der Geldpolitik erst in den 1980er- oder sogar erst in den 1990er-Jahren erhielten. "Die Bank of England wurde 1694 gegründet, erhielt aber zum Verfolgen des von der Regierung vorgegebenen Ziels einer Inflation von zwei Prozent erst 1997 ihre operative Unabhängigkeit, also im Jahr 303 ihres Bestehens", erläuert der Chefvolkswirt. Der Hauptgrund dafür, Zentralbanken unabhängig zu machen, sei die Erhöhung der Glaubwürdigkeit der Geldpolitik gewesen, die nach dem Dahinscheiden des Goldstandards und der darauffolgenden großen Inflation der 1970er- und frühen 1980er-Jahre die Inflationsbekämpfung zum Ziel hatte. 

Ist Unabhängigkeit kontraproduktiv?
Kritiker weisen laut Fels darauf hin, dass die Notwendigkeit oder der Wunsch, ihre Unabhängigkeit zu verteidigen, Zentralbanken oft daran hindert, Probleme zügig anzugehen – etwa mit Helikoptergeld oder durch Maßnahmen eines Kreditgebers der letzten Instanz, um in Not geratene Finanzinstitute oder Staaten zu sponsern. "Stattdessen mussten unabhängige Zentralbanken zweitbeste Maßnahmen umsetzen wie die Quantitative Lockerung oder eine Negativzinspolitik, die Finanzmärkte verzerren und schwerwiegende Verteilungskonsequenzen haben können", so der Ökonom.

Hierdurch würden Zentralbanken letztendlich harter Kritik an zwei Fronten ausgesetzt: Kritik an der zweitbesten Politik mit ihren unvorhergesehenen Nebenwirkungen und schwindenden Renditen und Kritik an Entscheidungen, die laut Beobachtern besser von den gewählten Politikern wahrgenommen werden sollten.

Würden Zentralbanken bei der Gestaltung ihrer Maßnahmen der Aufsicht der Regierung unterstellt, sei als unmittelbarer Effekt ein Anstieg der Inflationserwartungen wahrscheinlich, da die Regierung ihren Einfluss auf die Geldpolitik ausweiten würde. Außerdem könnten Zentralbanken den gesamten Finanzsektor umgehen, indem sie die Regierung direkt mit frisch geschaffenem Geld ausstatten – zum Beispiel mittels Gutschriften auf dem Konto der Staatskasse bei der Fed –, das die Regierung dann in Form von Steuernachlässen oder erhöhten Staatsausgaben an die Öffentlichkeit verteilen könnte. (fp)