Zur Jahresmitte hin sowie zum Jahreswechsel stehen in der Finanzwelt die Schätzungen an: Wo werden sich Dax oder Dow Jones am Jahresende befinden, und wohin geht die Zinsentwicklung? "Trotz technologischer Fortschritte und immer mehr verfügbarer Daten erweisen sich Prognosen aber häufig als falsch, unvollständig oder überinterpretiert", meint Alexander Pirpamer, Geschäftsführer Portfoliomanagement bei Blackpoint Asset Management.

"Die Gründe dafür liegen in der Komplexität der Märkte, der menschlichen Psychologie und im Auftreten unvorhersehbarer Ereignisse", führt Pirpamer aus. So beeinflussen Faktoren wie Konjunktur, Politik oder Unternehmensnachrichten und Branchentrends die Entwicklung. Auch Emotionen wie Gier, Angst und Selbstüberschätzung beeinflussen die Akteure. "Diese Verhaltensmuster sind schwer vorhersehbar und können zu plötzlichen Marktbewegungen führen, die nicht durch fundamentale Faktoren begründet sind", folgert der Fondsmanager.

Riesige Datenmengen gegenüber Vertraulichkeit
"Ebenfalls erschwert werden Prognosen dadurch, dass trotz riesiger verfügbarer Datenmengen einige Informationen für Analysten und Prognosemodelle unzugänglich bleiben", ergänzt Pirpamer. Dies könne auf Vertraulichkeit, Insider-Handel oder fehlende Transparenz zurückzuführen sein. Ebenfalls würden unvorhersehbare, seltene und teils extreme Ereignisse die Prognosemodelle vor große Herausforderungen stellen. Der Blackpoint-Mann verweist auf Naturkatastrophen wie den Tsunami im Indischen Ozean im Jahr 2004, Pandemien wie Covid-19 oder die plötzliche Bankenkrise ausgehend von den USA im Februar.

"Eine weitere Gefahr ist Selbstreferentialität", ergänzt Pirpamer. Diese entstehe dann, wenn Informationen oder Vorhersagen sich gegenseitig beeinflussen oder bestätigen. "Menschen neigen dazu, Vorhersagen oder Einschätzungen zu viel Bedeutung beizumessen", so der Manager. Dies könne dazu führen, dass Anleger die Unsicherheiten und die Unvorhersehbarkeit von Ereignissen unterschätzen. "Außerdem können sie in einer Informationsblase gefangen werden, die ihre Fähigkeit einschränkt, alternative Perspektiven zu berücksichtigen und kritisch zu beleuchten."

Eigene Schlüsse ziehen
"Trotz aller Modelle, Prognosen und Expertenmeinungen werden Anleger in regelmäßigen Abständen von der Realität überrascht", folgert Pirpamer. Dennoch sehe das Blackpoint-Team Prognosen und Modelle keinesfalls als sinnlos an. "Sie umschreiben Probleme und Lösungen, Daten und Fakten, Vermutungen und mögliche Wirkmechanismen", erklärt der Manager.

"Damit führen sie uns auf direktem Weg in eine Auseinandersetzung mit den aktuellen und künftigen Themen und münden in Diskussionen." Daraus könne man seine eigenen Schlüsse ziehen. "Es gilt immer, sich kritisch mit Prognosen auseinanderzusetzen und möglichst viele andere Standpunkte und Sichtweisen in Betracht zu ziehen", so der Fondsmanager. (ert)