Seit Wochen bedrängen Fachanwälte die verunsicherten Investoren der insolventen P&R-Gesellschaften. Die Juristen besorgen sich über verschiedene Kanäle Namen und Adressen von Anlegern und Vertriebspartnern. Einige Kanzleien sprechen Investoren direkt an, andere lassen sich von Finanzdienstleistern weiterempfehlen.

Vieles davon geht in Ordnung: Anwälte dürfen grundsätzlich Werbung in eigener Sache machen. Doch die hat gemäß der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) auch ihre Grenzen. Es ist beispielsweise verboten, zur "Erteilung eines Auftrags im Einzelfall" zu werben.

Im P&R-Fall jedoch betreiben zahlreiche Anwälte wie berichtet mit fragwürdigen Methoden beziehungsweise mit oberflächlichen bis falschen Argumenten Akquisition. Da teilweise sogar mit der Verlustangst der Anleger gespielt wird und die Vermittler als Intermediäre zu den Anlegern umgarnt werden, hat FONDS professionell ONLINE die Rechtsanwälte Oliver Renner, Nikolaus Sochurek und Daniel Blazek um ihre Einschätzung gebeten.


Wie kann man Anleger vor illegaler Mandantenwerbung schützen?
 
Oliver Renner: Hier gilt es, verschiedene Aspekte zu beachten. Anleger können sich direkt gegen den werbenden Anwalt wehren, wenn sie unaufgefordert und unerwünscht von ihm kontaktiert werden. Diesbezüglich schafft die neue Datenschutzgrundverordnung neue Möglichkeiten, gegebenenfalls auf Unterlassung vorzugehen. Produktanbieter und Treuhänder können auf Unterlassung klagen, wenn herausgegebene Anlegerdaten zweckwidrig verwendet werden. Auch andere Rechtsanwälte können gegen die Werbung vorgehen, wenn sie gegen das Wettbewerbsrecht verstößt. Aber grundsätzlich gilt: Wo kein Kläger, da kein Richter.

Nikolaus Sochurek: Der Vertrieb selbst kann ebenfalls aktiv werden. Wenn die Vermittler zusammengeschlossen sind, dann erfährt die Gruppe sehr schnell von so einem Schreiben. Der die Gruppe beratende Anwalt kann dann dem Vertrieb Kommunikationshilfe geben, um im Rahmen einer sinnvollen Präventivberatung auf die Kunden einzuwirken, dass sie gar nicht erst mit dem werbenden Anwalt in Kontakt treten. Rückwärtsgewandter Rechtsschutz macht in der Praxis nur bedingt Sinn, denn wenn die Anleger das Schreiben gelesen haben, ist aus Sicht des Vertriebs das "Kind in den Brunnen" gefallen .

Viele Anwälte werben mit oder halbrichtigen Behauptungen, die von den adressierten Anlegern nur sehr schwer erkannt werden können. Was kann man dagegen tun?
 
Renner: Eine Möglichkeit ist, dass durch öffentliche Berichterstattung die Inhalte falscher Mandantenwerbung entlarvt werden. Außerdem können die Emittenten bei nachweislich unwahren Tatsachenbehauptungen selbst dagegen vorgehen. Das Problem dabei ist, dass beispielsweise im Falle der Insolvenz eines Emittenten niemand mehr vorhanden ist, der überhaupt ein Interesse hat, dagegen vorzugehen. Dadurch entstehen gewissermaßen "rechtsfreie Räume".

Sochurek: Als Vertrieb kann man eine rechtliche Stellungnahme durch den eigenen Anwalt einholen. Diese kann dann an die Kunden weitergegeben werden. Der Vertrieb hat praktisch immer ein Interesse daran, unwahre Tatsachenbehauptungen oder Bewertungen richtig zu stellen. So können aussichtslose Anlegerklagen im Vorfeld vermieden werden, was im Interesse aller Beteiligten liegt – außer der akquirierenden Anwälte.

Wie lässt sich verhindern, dass der mandadierte Anwalt dann nicht seine eigenen Interessen vertritt?
 
Renner: Wenn das Mandatsverhältnis zum Anwalt begründet ist, dann muss sich der Anleger selbst schützen. Das bedeutet, dass er auch selbst dafür verantwortlich ist und kritisch hinterfragen muss, wen er mit welchen Erwartungen beauftragt. Da es sich oftmals um sehr komplexe Sach- und Rechtsfragen handelt, ist es für den Mandanten schwierig, überhaupt einzuschätzen, ob seine Interessen ausreichend vertreten sind. Erschwerend kommt hinzu, dass den Mandanten oft die notwendige Sensibilität fehlt, wenn die Anwaltskosten von einer Rechtsschutzversicherung übernommen werden.

Sochurek: Hinzu kommt, dass Anwälte mittlerweile – da Rechtsschutzversicherer derartige Prozesse oft nicht mehr decken – mit Prozessfinanzierern zusammenarbeiten oder mit Unternehmen, die die Forderungen von den Anlegern zu einem bestimmten Prozentsatz des Nennbetrages "abkaufen" (Factoring) und dann geltend machen. Wer vor einem Rechtsstreit zurückscheut, aber die Chance hat, risikolos seine Forderung zu veräußern, ist auch im Rahmen einer guten Präventionsberatung davon nur schwer abzuhalten.
 
Ist es eigentlich erlaubt, dass die Anlegeranwälte bei Vertrieben um Mandate aus der Anlegerschaft werben mit dem Versprechen, dass man dann nicht gegen die Vertriebe vorgeht?
 
Renner: Grundsätzlich ist es schon möglich, die Beauftragung mit einem Mandanten auf ein bestimmtes Vorgehen zu beschränken. Es gibt durchaus auch Fälle, in denen man so beispielsweise wichtige Informationen erhält, die man sonst nicht bekommt. Problematisch wird es jedoch, wenn die Beschränkung nicht aus dem Interesse des Mandanten, sondern des Anwalts erfolgt, um möglichst viele Mandate zu generieren. Konkret dürfte es unzweifelhaft unzulässig sein, wenn das Ausnehmen des Vertriebes nur deshalb erfolgt, damit der Anwalt möglichst viele Mandate erhält.

Daniel Blazek: Problematisch ist es, wenn der werbende Anlegeranwalt dem Vertrieb gegenüber eine allgemeine, für die Anleger rechtsbeschränkende Zusage macht. Solche Vereinbarungen müssen mit dem konkreten Mandanten geschlossen werden. Man kann nicht mit einem Dritten einen "Vertag" zum Nachteil des Mandanten schließen.
 
Droht dem Vertrieb eine Haftung, wenn er einen Anwalt empfiehlt, der Anleger nur beschränkt und damit vielleicht nicht optimal vertritt?

Blazek: Es ist Aufgabe des jeweiligen Anwalts, den Mandanten über den Inhalt respektive Nichtinhalt des Mandatsvertrags hinreichend aufzuklären. Etwaige Pflichtverletzungen sind dabei sein Problem, nicht das des Vertriebs. Geschieht dies korrekt, so hat auch der Vertrieb kein Haftungsthema. Ist der Mandant allerdings unzufrieden mit dem empfohlenen Anwalt, so wird sich das auch auf den Vertrieb auswirken, im Vertrauensverlust oder dem Verlust anderweitigen Geschäfts mit dem Kunden.

Wie kann man Anleger davor schützen, dass die Anwälte im Gläubigerausschuss ihr eigenes Süppchen kochen? Und wie kann man verhindern, dass die Anwälte im Gläubigerausschuss Entscheidungen treffen, die für die Anleger – wie möglicherweise im Fall Magellan –unvorteilhaft sind?
 
Renner: Bei diesen Entscheidungen ist natürlich zunächst die ex-ante-Betrachtung zu berücksichtigen. Ob eine Entscheidung richtig, falsch oder vertretbar ist, muss zu dem Zeitpunkt beurteilt werden, an dem diese getroffen wird. Spätere Erkenntnisse können daher nicht berücksichtigt werden, wenn diese vorher noch gar nicht bekannt waren. Wenn jedoch Entscheidungen getroffen werden, die nachweislich nicht im Interesse der vertretenen Person erfolgten, dann sind Schadenersatzansprüche möglich. Meine Erfahrung ist jedoch, dass Schadensersatzansprüche sehr selten geltend gemacht werden.

Blazek: Augen auf bei der Wahl oder Bestätigung der Mitglieder des Gläubigerausschusses! Bei der ersten Gläubigerversammlung im eröffneten Insolvenzverfahren können die Gläubiger hierzu abstimmen. In die P&R-Ausschüsse gehören idealerweise insolvenzrechtliche Expertise und profunde Kenntnisse des Containermarkts.

Kennen Sie zum Fall Magellan Klagen von Anlegeranwälten, die bei Gericht nicht erfolgreich waren?

Sochurek: Unter Az. 29 O 21930/16 haben wir einen ersten Vermittlerprozess betreffend Magellan vor dem LG München I zu Ende geführt. Über den konkreten Ausgang des Einzelfalles kann ich mich aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nicht äußern. Aber viel wichtiger dürfte sein, dass die 29. Kammer des LG München I in der mündlichen Verhandlung vom 31. August 2017 klarstellte, dass das Konzept hinter Magellan aus Sicht der Vermittler als plausibel eingeschätzt werden durfte. Das ist die maßgebliche generalisierbare Aussage aus diesem Verfahren. Dasselbe gilt aus unserer Sicht auch bei der Plausibilität des P&R-Geschäfts.

Vielen Dank für das Gespräch. (ae)