"Was wäre, wenn"-Fragen heißen bei Kapitalmarkt-Kennern "Szenario-Analyse". Eine solche beschäftigt Asset Manager derzeit rund um den Globus: Was wäre, wenn es eines Tages nur noch passive Investoren gibt? Angesichts der wachsenden Beliebtheit von ETFs ist das keine ganz unberechtigte Frage.

Rob Arnott, Chef von Research Affiliates, hat eine Antwort parat: "Da sorgen Sie sich seit wegen etwas, was nie eintreten wird." Doch ebenso wie zahlreiche andere Teilnehmer einer Investment-Konferenz des Fondsanalysehauses Morningstar in Chicago wusste auch er laut einem "Handelsblatt"-Bericht nicht vorherzusagen, welche Veränderungen die Zunahme von passiven Investment auf den Kapitalmärkten hervorrufen wird.

William McNabb, Chef der Fondsgesellschaft Vanguard, wies Sorgen vor einer Blase am Markt für börsengehandelte Indexfonds (ETF) zurück. Zuvor hatten mehrere Börsenprofis über die Gefahr einer ETF-Blase spekuliert, allen voran Hedgefonds-Manager Bill Ackman: Er hatte vor einigen Monaten die These aufgestellt, das rasante Wachstum von Indexfonds führe zu einer "Index-Bubble". Außerdem warf er den Managern passiver Fonds vor, sie seien mit ihren überschaubaren Mitarbeiterteams gar nicht in der Lage, verantwortlich auf die Geschäftspolitik von Unternehmen Einfluss zu nehmen.

ETF-Anbieter einflussreicher als manch einer denkt
Vanguard-Chef McNabb hält dagegen: "Wir sind die wahren Langfrist-Investoren", sagte er dem "Handelsblatt" zufolge. Vanguard hat auch aktiv gemanagte Fonds im Programm, ist aber vor allem bekannt für seine vielseitigen ETFs. "Wir bleiben als Investoren länger bei einem Unternehmen als die sogenannten aktiven Investoren", sagt McNabb. Die könnten eine Aktie verkaufen, wenn ihnen die Geschäftspolitik nicht gefalle – eine Option, die den "Index-Nachahmern" verwehrt bleibt. "Wir müssen sie behalten und haben dadurch umso mehr Interesse, Einfluss auf das Unternehmen zu nehmen", so McNabb.

Er machte auch deutlich, woher der Siegeszug der passiven Investments seiner Ansicht nach herrührt. In den 1990er-Jahren waren 90 Prozent der US-Aktien in der Hand relativ unerfahrener privater Investoren. "Die zehn Prozent professioneller Investoren hatten es leicht, zulasten der anderen einen Mehrertrag zu erzielen“, sagt der Vanguard-Chef. "Heute halten die privaten Anleger aber nur noch zehn Prozent der Aktien."

Ein Pokerspiel unter Profis
Ben Johnson, ETF-Experte der Fondsratingagentur Morningstar, verglich diese Entwicklung mit einem Pokerspiel unter Profis: "Wenn kaum noch unerfahrene Spieler am Tisch sitzen, finden die Profis niemanden mehr, den sie ausnehmen können", sagte er. Auch Johnson glaubt, dass künftig aktive Manager eine wichtige Rolle spielen. Aber er fügt hinzu: "Es werden immer ausgefuchstere Manager sein. Denn um einen Mehrertrag zu erzielen, kommt es darauf an, besser als die anderen zu sein. Der relative Vorsprung zählt." (fp/ps)