Manfred Schlumberger, Geschäftsführer des Vermögensverwalters Ha-Va aus Königstein im Taunus, traut den Börsen im kommenden Jahr keine großen Sprünge zu. Kurzfristig dürften sich jedoch Einstiegsmöglichkeiten ergeben. Längerfristig wittert der Fondsmanager Chancen insbesondere in Sektoren, die lange vernachlässigt wurden.

In seinem jüngsten Investorenbrief erinnert Schlumberger an das vergleichsweise hohe Zinsniveau in Europa und den USA. "Zinserhöhungen schlagen sich erst mit einer Verzögerung von circa 18 Monaten in der Konjunktur nieder. Insofern ist im nächsten Jahr mit einer weiteren Konjunkturabkühlung sowohl in den USA wie in Europa zu rechnen", schreibt der erfahrene Portfoliomanager. Dennoch würden die Analysten für das kommende Jahr mit zweistelligen Gewinnsteigerungen der Unternehmen rechnen. "Dies ist wenig realistisch, da die Preisüberwälzungsspielräume der Unternehmen künftig durch den sich abschwächenden Konsum stark limitiert sind."

"Kurzfristig sieht es besser aus"
Die Hoffnung auf baldige Leitzinssenkungen teilt der Vermögensverwalter nicht. "Die hohen Energiepreise und künftige Lohnsteigerungen wegen des Arbeitskräftemangels auf beiden Seiten des Atlantiks lassen keine nachhaltig sinkende Inflation im nächsten Jahr erwarten", meint er. "Insofern ist der Zinssenkungsspielraum der Zentralbanken begrenzt." Größere Liquiditätsschübe wie in den vergangenen zehn Jahren durch Null- und Negativzinsen sowie Anleihenkäufe durch die Notenbanken seien also nicht zu erwarten.

Aber: "Kurzfristig sieht es besser aus", so Schlumberger. Fallende Inflationsdaten und das nahe Ende der Leitzinserhöhungen könnten die Märkte wieder unterstützen. Außerdem setze spätestens nach Halloween häufig eine Jahresendrally ein.

"Die Inflation ist gekommen, um zu bleiben"
Anlegern mit längerfristigem Horizont rät Schlumberger zu Investments in den klassischen Energiesektor: "Trotz der jüngsten Kurssteigerungen unterbewertet, wegen der ESG-Thematik unterinvestiert und unbeliebt!" Der Internationalen Energieagentur zufolge werde die Ölnachfrage bis 2030 weltweit weiter steigen – "ob wir das in Deutschland wollen oder nicht", so der Vermögensverwalter, der einen zynischen Tipp folgen lässt: "Ein schlechtes Nachhaltigkeitsgewissen kann man dadurch besänftigen, indem man die zu erwartenden Kursgewinne zur Finanzierung einer Wärmepumpe verwendet." Antizyklische Investmentideen fänden sich außerdem im Pharmabereich und insbesondere im Biotechnologiesegment, das seit dem Ende der Corona-Pandemie dramatisch unter die Räder gekommen sei.

"In den nächsten Wochen könnten sich interessante Einstiegsgelegenheiten ergeben", lautet Schlumbergers Fazit. "Längerfristig werden wir an den Aktienmärkten nicht mehr mit zweistelligen jährlichen Renditen wie in den letzten zehn Jahren rechnen können. Hierzu bräuchten wir Notenbanken, die wieder alle Geldschleusen öffnen. Das wird die Inflation, die gekommen ist, um zu bleiben, nicht mehr zulassen!" (bm)