Für die Europäische Zentralbank (EZB) sind die jüngsten Geschehnisse in Italien nicht unproblematisch: "Das italienische Verfassungsreferendum hätte für EZB-Präsident Draghi nicht ungünstiger ausfallen können", sagt Karsten Junius, Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin.  "Die schwindende Aussicht auf Strukturreformen in Italien und die fast gleichgültige Marktreaktion sprechen nicht dafür, dass sich die EZB zugunsten der Euro-Peripherie zu weit aus dem Fenster lehnen sollte." Das Referendum zeige zudem, wie schwierig Reformen innerhalb der Währungsunion sind. "Dies macht Markteingriffe der EZB eventuell über einen längeren Zeitpunkt notwendig."

Für die Befürworter einer lockeren Geldpolitik im EZB-Rat sei die Lage schwieriger geworden: "Offensichtlich kann in Italien die Zeit nicht für Strukturreformen genutzt werden, die die EZB mittels ihrer Kaufprogramme den Mitgliedsländern erkauft, in dem sie Zinsen und Zinsdifferenzen künstlich niedrig hält", sagt Junius. "Gleichzeitig steigen die konjunkturellen Stimmungsindikatoren und die Inflationsraten in fast allen Ländern der Währungsunion an."

EZB muss flexibler werden
Junius zufolge werde die EZB einerseits noch längere Zeit als potenzieller Käufer von Staatsanleihen gebraucht, andererseits solle sie derzeit nicht aus dem Vollen schöpfen. "Am Donnerstag sollte sie daher ihr Anleihekaufprogramm vor allem flexibler gestalten und potenziell langfristiger ausrichten“, sagt der Chefökonom.

Er empfiehlt, das Anleiheprogramm länger als die erwarteten sechs Monate fortzusetzen, in der Höhe insgesamt zu reduzieren und dann zukünftig flexibel anzupassen. "Bei Bedarf entstünde dadurch eine größere Interventionskraft, die Investoren oder Spekulanten davon abhalten könnte, auf eine massive Ausweitung von Zinsdifferenzen einzelner Länder zu setzen", sagt Junius. (fp)