Die Zentralbanken haben in den vergangenen Jahren die Leitzinsen gesenkt, damit die Bürger weniger sparen und stattdessen mehr konsumieren und investieren. Dieses Kalkül scheint allerdings nicht aufzugehen.

In den vergangenen zwei Jahren, also seit Einführung negativer Einlagenzinsen durch die Europäische Zentralbank (EZB), ist die Sparquote in Deutschland um einen Prozentpunkt gestiegen. Kritiker der EZB-Politik führen diese Entwicklung darauf zurück, dass Haushalte wegen der niedrigen Zinsen mehr sparen müssen, um sich für die Zukunft ein gewisses Wohlstandsniveau zu sichern – und die eigentlichen Ziele der Nullzinspolitik damit ins Wanken bringen.

Die höheren Ersparnisse lassen sich indes auch anders erklären, sagt Karsten Junius, Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin. "Sparquoten steigen normalerweise mit der Arbeitslosenquote an, also in einem ökonomisch unsicheren Umfeld. Eine höhere Sparquote ergibt sich hingegen auch, wenn die Realeinkommen stark ansteigen." Steigen die Einkommen, weil die Inflation niedriger ist als erwartet, realisieren Haushalte manchmal erst mit Verzögerung, dass sie sich mehr leisten können als gedacht. Vorübergehend sparen sie deshalb mehr.

Ölpreis-Einbruch als "Überraschungs-Ei"
Der Einbruch der Rohstoffpreise war eine positive Überraschung, mit der die Haushalte nicht rechnen konnten, erklärt Junius. Die Gesamtinflation lag in den vergangenen zwei Jahren bei etwa null Prozent und damit rund ein Prozent tiefer als die Kerninflation, bei der Energie und Lebensmittelpreise herausgerechnet werden. "Entsprechend höher war die Sparquote. Das ist aber kein Grund zur Besorgnis – im Gegenteil", sagt der Ökonom. "Es zeigt, dass die privaten Haushalte in einer guten Lage sind und ihren Verbrauch erhöhen können." (fp)