Österreich ist Vorreiter in der Nutzung von Biokraftstoffen. Bis 2020 soll der biologische Anteil von 2,5 Prozent in 2005 auf 20 Prozent des gesamten Energieverbrauchs im Verkehrssektor erhöht werden. Die Österreichische Bundesregierung entspricht hiermit frühzeitig dem Aktionsplan der Europäischen Kommission von Dezember 2005, nach dem bis 2010 die Nutzung von Biokraftstoffen in den Mitgliedsstaaten auf einen Marktanteil von 5,75 Prozent erhöht werden soll. Da in Deutschland seit August biologische Kraftstoffe besteuert werden, beteiligen sich deutsche Unternehmen nun verstärkt in Österreich, hiesige Biodieselhersteller werden ihre Kapazitäten teilweise verdoppeln können. In einer Studie zur Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen hat die Bank Sarasin jedoch festgestellt, dass auch aus Pflanzen gewonnene Diesel- und Ethanol-Kraftstoffe Mensch und Umwelt belasten können.

 

Für das Jahr 2005 hatte die Europäische Kommission bei Biokraftstoffen einen Marktanteil von zwei Prozent vorgegeben. Erreicht wurden in den Mitgliedsstaaten nur 1,4 Prozent. Österreich hebt sich mit einem aktuellen Anteil von drei Prozent des Treibstoffverbrauchs bereits jetzt hervor und hat als einer der ersten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union mit der Erstellung eines Biomasseaktionsplans begonnen. Auch in anderen EU-Ländern, den USA und Brasilien wird der Gebrauch von Biodiesel und Bioethanol verstärkt gefördert. Die Bank Sarasin äußert in ihrer Studie "Biokraftstoffe - erdölfreie Fahrt in die Zukunft" jedoch Bedenken gegenüber den Zielen der Europäischen Kommission. "Wir beobachten seit einiger Zeit, dass die Aktienkurse der Unternehmen aus der Biokraftstoffbranche aufgrund der hohen Branchenerwartungen von Investoren deutlich gestiegen sind", erläutert Matthias Fawer-Wasser, Nachhaltigkeitsanalyst bei der Bank Sarasin & Cie AG, Basel. "Wir sehen die Zukunft der Industrie nüchtern, da deren Entwicklung rasch an natürliche Grenzen stoßen wird."

 

Biodiesel und Bioethanol ökologisch bedenklich

 

Neben den Vorgaben durch die EU sorgen vor allem die hohen Ölpreise für einen steigenden Bedarf an Biokraftstoffen. Während Bioethanol weltweit am meisten eingesetzt wird, ist in Europa die Produktion von Biodiesel am größten. Bioethanol entsteht durch die Vergärung von zucker- und stärkehaltigen Pflanzen, Biodiesel wird aus Pflanzenöl gewonnen. Beide Kraftstoffe sind prinzipiell dazu geeignet, Kohlendioxid-Emissionen zu reduzieren, die Energieabhängigkeit von anderen Ländern zu verringern sowie die inländische Landwirtschaft zu fördern. Aus Sicht der Bank Sarasin sind jedoch beide Biokraftstoffe nicht immer so ökologisch und sozial verträglich, wie ihr Name vermuten lässt. Gerade billige Soja- und Palmölimporte aus Entwicklungs- und Schwellenländern weisen teils erhebliche Risiken auf. Dabei schneidet Bioethanol aus nachhaltiger Sicht besser ab als Biodiesel. Gründe hierfür sind die breitere Rohstoffbasis, die höhere Hektarausbeute sowie eine bessere Kohlendioxidbilanz von Bioethanol. Mit der Produktion von Biokraftstoffen aus Pflanzen geht aber eine teilweise erhebliche Umweltbelastung durch den Rohstoffanbau einher sowie ein erhöhter Druck zur Rodung des Regenwaldes. Hinzu kommen teilweise kritische Arbeits- und Sozialbedingungen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Insgesamt ist die für Energiepflanzen frei verfügbare Landfläche ohnehin begrenzt. Oft steht dieser Anbau deshalb in direkter Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion.

 

Positiv hingegen bewertet die Bank Sarasin insbesondere optimierte Pflanzensorten und neue Technologien zur effektiveren Herstellung von Biokraftstoffen der zweiten Generation. "Bei der Ethanol-Produktion helfen beispielsweise neue, enzymatische Verfahren, auch aus der Zellulose von Stroh und Stängeln der Pflanzen Bioethanol zu gewinnen", erklärt Fawer-Wasser, Autor der Studie. "So kann auch eine Treibhausgasreduktion von fast 90 Prozent gegenüber 30 bis 50 Prozent bei herkömmlichen Technologien erreicht werden." Diejenigen Produzenten handeln nachhaltiger, die ihre Rohstoffe aus lokalen Anbaugebieten mit kurzen Transportwegen beziehen. Unternehmen sollten dabei über einen ökologischen und sozialen Anforderungskatalog verfügen. Darüber hinaus können neue Qualitätsstandards künftig verhindern, dass ökologisch bedenkliche Biokraftstoffe verwendet werden.

 

Umweltverträglicher Einsatz von Biokraftstoffen derzeit noch begrenzt

 

Etliche Biokraftstoffproduzenten bemühen sich mittlerweile sowohl um den Einsatz neuer Technologien als auch um einen regionalen Einkauf und Sozial- und Umweltstandards in der Produktion. "Bevor nicht neue technologische Entwicklungen eine bessere Ausbeute der Biomasse ermöglichen, sehen wir für den umwelt- und sozialverträglichen Einsatz von Biokraftstoffen in der EU und den USA eine Grenze von etwa fünf Prozent des derzeitigen Benzin- und Dieselverbrauchs", fasst Fawer-Wasser die Ergebnisse der Studie zusammen. "Eine zweite Generation von Biokraftstoffen wie Cellulose-Ethanol oder Biogas bewertet die Bank Sarasin aus nachhaltiger Sicht positiver, da die Ausbeute pro Hektar größer ist und mehr verschiedene Pflanzen zur Produktion eingesetzt werden können." Es wird daher für eine dauerhaft positive Entwicklung am Finanzmarkt langfristig entscheidend sein, ob die Produzenten von Biokraftstoffen Nachhaltigkeitskriterien für die Beschaffung und Herstellung berücksichtigen. Denn nur so ist das "Bio" im Namen der Kraftstoffe wirklich gerechtfertigt.