Das neue Landesgesetz für nachhaltige Finanzanlagen in Baden-Württemberg ist so streng, dass sogar US-Staatsanleihen – die mit Abstand am weitesten verbreitete Anlageklasse überhaupt – außen vor bleiben müssen. Das südwestdeutsche Bundesland, Hort von Auto- und Maschinenbau und der sprichwörtlichen "Schaffe, spare, Häusle baue"-Mentalität, hat im Gesetz über seine Finanzanlagen "Nachhaltigkeit" zu einem grundlegenden Anlagekriterium erklärt. Es gesellt sich gleichberechtigt zu den drei bisherigen Kriterien Rentabilität, Liquidität und Sicherheit. Ein Fünftel der 17 Milliarden Euro umfassenden Finanzanlagen des Bundeslandes könnte betroffen sein. Überwiegend betrifft diese Änderung Aktien und Firmenanleihen – doch nicht nur.

US-Staatsanleihen auf der Schwarzen Liste
Grund dafür ist der §11 des Gesetzes, der "Ausschlüsse von Staaten" regelt und unter anderem die Unterzeichnung und Ratifizierung von einer ganzen Liste internationaler Verträge zur Bedingung macht. Die USA scheitern an dieser Anforderung und somit landen ihre Staatsanleihen auf der Schwarzen Liste der Regierung in Stuttgart. Dort finden sich allerdings auch eine Reihe von Mitgliedern der Europäischen Union wie Griechenland, Finnland und Lettland.

Das Gesetz legt etwa die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, die Taxonomieverordnung der Europäischen Union und das Pariser Abkommen zum Klimawandel als Grundlage für seine künftigen Anlageentscheidungen fest. Es geht aber auch um Abkommen gegen Waffensysteme wie Biowaffen oder Streumunition und um Menschenrechtsabkommen.

Sich bei den Ausschlusskrtierien einfach auf internationale Verträge zu beziehen, ist "ein recht grober Ansatz", gibt Arnim Emrich zu, Treasury-Chef im baden-württembergischen Finanzministerium. "Aber es ist die einzige Möglichkeit, die wir haben, die einfach und objektiv ist", so Emrich im Interview mit "Bloomberg". Praktisch ist der Treasury-Boykott der Schwaben nicht von großer Relevanz, denn die Bestände sind insignifikant. In ganz Deutschland werden nur rund 85 Milliarden Dollar an US-Staatsanleihen gehalten, während der gesamte Markt ein Volumen von 24 Billionen Dollar hat.

Republikaner gehen gegen ESG-Investitionen vor
Doch hat er eine symbolische Relevanz, denn Baden-Württembergs Ansatz ist das genaue Gegenteil von dem, was die republikanisch regierten US-Bundesstaaten derzeit tun. ESG-Prinzipien werden von führenden Mitgliedern der Republikaner regelmäßig verteufelt, allen voran von Präsidentschaftskandidat Ron DeSantis, der ESG und die "woke" Ideologie ausrotten will, die er dahinter am Werk sieht. 

Banken und Fondsmanager vermeiden das Akronym – das für Ökologie, Soziales und Unternehmenskultur steht – inzwischen, wo es geht. Mehr als ein Dutzend Bundesstaaten wollen die Investitionen nach ESG-Richtlinien verbieten. Das US-Arbeitsministerium kämpft derzeit gegen eine Klage von mehr als zwei Dutzend Generalstaatsanwälten aus republikanischen Bundesstaaten, die Pensionsfonds daran hindern wollen, ESG-Überlegungen in ihre Anlageentscheidungen einzubeziehen.

Öffentlicher Sektor sollte "Vorbild und treibende Kraft sein"
In Deutschland hingegen steht Baden-Württemberg nicht allein: Schleswig-Holstein schließt ebenfalls Investitionen in Treasuries aus, aber auch in fossile Energiefirmen. Pensionsfonds von Brandenburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen investieren dieses Jahr bis zu elf Milliarden Euro in Paris-konforme Aktienindizes. "Wir zeigen, wie nachhaltige Investitionen möglich sind und dass der öffentliche Sektor hier Vorbild und treibende Kraft sein kann und sollte", sagte der hessische Finanzminister Michael Boddenberg, als er diesen Schritt ankündigte. (mb/Bloomberg)