Der US-Rentenmarkt ist einer der teuersten der Welt, wird aber zu Unrecht so hochgejubelt, meint Stefan Klomfass, Leiter institutionelles Wertpapiergeschäft der SEB Asset Management. Dabei erreiche die Gesamtschuldenquote der USA - sofern man zu den Schulden der verschiedenen staatlichen Ebenen auch die Schuldenlast der quasi staatlichen Institutionen Fannie Mae und Freddie Mac hinzurechnet - ihm zufolge leicht die Höhe der PIIGS-Staaten. In einer Kolumne schreibt Klomfass hierzu wie folgt:

 

"Ein historisches Ereignis, und niemanden kümmert"s: Die Ratingagentur Standard & Poor"s hat den Ausblick für US-Staatsanleihen auf "negativ" gesetzt. Die Kreditwürdigkeit der USA wackelt. Das "AAA " des weltgrößten Rentenmarkts könnte bald Geschichte sein.

 

Trotz vieler Worte hat der Markt bislang nicht darauf reagiert. Im Gegenteil: Nach der Ankündigung von S&P kochte das Thema Schuldenkrise hoch. Als riskant geltende Papiere Irlands, Portugals oder Griechenlands wurden verkauft, die sicheren Häfen waren Bundesanleihen und erstaunlicherweise US-Treasuries.

Der US-Rentenmarkt ist und bleibt einer der teuersten der Welt. Die Verschuldungslage in den USA erinnert in Teilen an die zuvor erwähnten PIIGS-Staaten. Nennenswerte Risikoprämien für US-Anleihen verlangt der Markt derzeit allerdings nicht.

 

Erste Absagen an US-Rentenmarkt ohne Auswirkungen

Einige ausländische Marktteilnehmer aus Japan und China sowie der große Rentenfondsmanager Bill Gross von Pimco haben angekündigt, US-Staatsanleihen künftig zu meiden. An den Terminmärkten steigt die Zahl an Short-Positionen auf den US-Dollar und an Long-Positionen auf Rohstoffe, aber die Kurse und Bewertungen von US-Staatsanleihen bleiben nahezu unberührt davon.

 

Zwar haben die Wichtigkeit der Rating-Agenturen für Renteninvestoren und die Bedeutung der USA für die Weltwirtschaft abgenommen. Dennoch ist der US-Rentenmarkt von seiner Bedeutung nicht mit den Schwellenländermärkten zu vergleichen. Ein Rentenmarkt ist beispielsweise in China faktisch nicht existent. Umso mehr ist auch für uns entscheidend, was mit den US-Zinsen passieren wird.

 

Jüngst haben wir eine Abkoppelung der Notenbanken dies- und jenseits des Atlantiks beobachtet: Die Europäische Zentralbank hat die Leitzinsen früher als die US-Notenbank angehoben. Ein markanter Bruch mit der Historie. Dennoch: Die Korrelation zwischen US- und Euro-Staatsanleihen bewegt sich zwischen 80 und 90 Prozent. Wir hängen also in Europa auf Gedeih und Verderb am US-Rentenmarkt.

 

Ausmaß der Verschuldung rückt in öffentlichen Fokus

Verschuldung ist nicht nur in Europa ein Thema, sondern auch in den USA. Die Staatsverschuldung des Landes wurde in den 1980er Jahren noch stark zurückgefahren. Drei Jahrzehnte lebte die Regierung von dem daraus resultierenden Ansehen. Auch die Inflation wurde seitdem erfolgreich bekämpft. Geld- und Fiskalpolitik sind nun ins Gegenteil geschwenkt.

 

In der Nahaufnahme wird das US-Schuldenproblem noch offensichtlicher, denn auf Ebene der Bundesstaaten bietet sich ein ähnlich differenziertes Bild wie bei den Ländern Europas. Einige Bundesstaaten, sind nahe an der Pleite, einzelne Kommunen haben in den vergangenen Jahren bereits Insolvenz angemeldet.

 

US-Schuldenquote erreicht PIIGS-Niveau

Die betreffenden Anleihen von US-amerikanischen Kommunen oder -Bundesstaaten finden sich praktisch nicht in den Portfolios internationaler Investoren. Das erklärt die begrenzte Aufmerksamkeit der globalen Anleger. Rechnet man zu den Schulden der verschiedenen staatlichen Ebenen auch die Schuldenlast der quasi staatlichen Institutionen Fannie Mae und Freddie Mac hinzu, erreicht die Gesamtschuldenquote der USA leicht die Höhe der PIIGS-Staaten.

 

Um ihre Schulden abzubauen, hoffen die US-Amerikaner weiter auf ein Anziehen der Konjunktur. Die jüngste Wachstumserholung war aber unterdurchschnittlich. Bei striktem Sparkurs könnte das Wachstum weiter gebremst werden. Die Gefahr bei einem "Weginflationieren" der Schulden liegt darin, die Kontrolle über das lange Ende des Rentenmarktes zu verlieren. Steigende Renditen könnten Anleiheinvestoren komplett abschrecken.

 

Da Anleger mit Inflations- und Bonitätssorgen voraussichtlich weiterhin verstärkt in Realwerte investieren werden, könnte sich dieser Kreislauf weiter selbst verstärken. Somit würde die Flucht in Sachwerte genau das provozieren, wovor sie schützen soll: Inflation.

 

Die Realzinsen liegen in den USA mittlerweile bei langen Laufzeiten nur noch bei 0,5 Prozent. Steigende Inflations- und Bonitätssorgen könnten den hoch bewerteten US-amerikanischen Anleihemarkt daher leicht außer Gleichgewicht bringen. Noch genießen US-Treasuries den Nimbus des sicheren Hafens. Die Forderung nach einer Bonitätsprämie für Staatsanleihen wird aber auch vor den USA nicht Halt machen. Sicherheiten und Risiken am Anleihemarkt werden neu bewertet werden müssen." (ir)